SAFRAN-ZUNFT: Fasnacht – nicht nur «Ibiza-Stimmung»

Louis Fischer ist Fritschivater in fünfter Generation. An der Fanacht sang er einst «je ne regrette rien».

Lena Berger
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Fritschivater Louis Fischer (Mitte) mit seiner Frau Irene und (von links) den Kindern Benno, Sarah und Amanda. (Bild Nadia Schärli)

Fritschivater Louis Fischer (Mitte) mit seiner Frau Irene und (von links) den Kindern Benno, Sarah und Amanda. (Bild Nadia Schärli)

Die Luzerner Fasnacht spielt in der Familie Fischer seit jeher eine wichtige Rolle. Dieses Jahr ganz besonders: Vater Louis Fischer amtet heuer als oberster Fasnächtler. Der Besuch unserer Zeitung erinnert den 56-Jährigen an eine Episode aus seiner Jugend. 1973 wurde sein Vater, Rudolf Fischer, zum Fritschivater gekürt. «Ein Journalist holte mich damals extra aus dem Internat in Engelberg, um ein Familienfoto zu machen. Dass so viel Aufwand dafür betrieben wurde, beeindruckte mich sehr», erzählt der Jurist. Heute steht er wieder vor der Linse – diesmal mit seiner Frau Irene und den erwachsenen Kindern Sarah, Benno und Amanda. Letztere findet, ihr Papa sei ein würdiger Fritschtivater. «Er ist ein Mensch, der sich für Traditionen begeistern kann», so die 18-Jährige.

Ahne im Wasserturm eingekerkert

Die Vergangenheit hat Fischer immer fasziniert. «Ich finde es spannend, nach den eigenen Wurzeln zu suchen und herauszufinden, woher man kommt.» Bei seiner Ahnenforschung sei er auf verblüffende Parallelen in den Lebensläufen, Leidenschaften und Gesichtszügen seiner Vorfahren gestossen. «Viele waren Juristen, Maler oder Musiker – sie suchten wie ich den Ausgleich zur Kopfarbeit in der Kunst.» Fischer selbst entspannt sich beim Klavierspielen. Unter dem Pseudonym Luigi Pescatore gibt er auch kleinere Konzerte.

Die Recherchen brachten aber auch brisante Familiengeschichten ans Licht. Fischer erzählt: «So bin ich auf einen Vorfahren gestossen, der im Sonderbundskrieg im Wasserturm eingekerkert wurde, weil er auf der Seite der Katholiken kämpfte.» Kein Wunder, wäre Fischer als Kind am liebsten Archäologe geworden. Sein Leben hat sich aber anders entwickelt. Fischer arbeitet als stellvertretender Direktor bei der Luzerner Kantonalbank (LUKB).

Traum: Vergangenheitsforscher

Seinen Traum, Vergangenheitsforscher zu werden, hat er auf die Zeit nach seiner Pensionierung verschoben. Er hat vor, dann ein Buch über die Geschichte Luzerns zu schreiben.

Der Fritschivater hat aber nicht nur zur Vergangenheit ein lebendiges Verhältnis. Wer zurückblicke, müsse immer auch in die Zukunft schauen, findet Fischer. «Die Vergangenheit prägt den Menschen, aber sie bietet keine Patentrezepte für die Zukunft.» Weiterentwicklung sei wichtig – das gelte auch für die Fasnacht. «Die Jungen sollen diese Traditionen mitgestalten. Fasnacht bietet doch gerade die wunderbare Freiheit, zu tun, was sonst nicht erlaubt ist.» Warum also nicht in der Bahnhofstrasse die Bässe dröhnen lassen? «Ich habe grundsätzlich nichts gegen Techno und Rap einzuwenden», sagt dazu Fischer.

Es sei Aufgabe der Fasnachtsgesellschaften, neue Ideen in die Luzerner Fasnacht zu integrieren. «Jede Tradition hat irgendwann als Premiere begonnen», schmunzelt Fischer. Er macht aber auch Einschränkungen: «Mit Pseudofasnachtsveranstaltungen ohne Inhalt, bei denen es nur um ‹Ibiza-Stimmung› geht, kann ich nichts anfangen. Dann wird Fasnacht austauschbar mit jedem anderen Event.» Stattdessen fordert er von der Jugend kreative Ideen.

«Fasnacht ist ein Ventil»

Was macht die Luzerner Fasnacht aus? «Sie ist ein Ventil. Die fantasievollen Grende sind die wahren Gesichter der Luzerner.» Man könne ausbrechen, kritisch sein, in eine andere Rolle schlüpfen – und auch mal provozieren. Das sei der Reiz. «Ich zog mal als Bischof mit einem Kinderwagen durch die Strassen und sang ‹Non, je ne regrette rien›», erinnert sich der Fritschivater. Dieses Jahr habe er sich für den Herrenabend des Luzerner Fasnachtskomitees (LFK) als gescheiterter Investmentbanker verkleidet. «Damit nahm ich mich selbst und meine Branche auf die Schippe.» Darum gehe es ihm: der Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten.

Fritschivater zu sein, hat bei der Familie Fischer Tradition. In den letzten fünf Generationen stellte sie jeweils immer einen Fritschivater. Ob einst auch Sohn Benno, der wie zuvor sein Vater Recht in Fribourg studiert, einer wird, steht in den Sternen. «Ich habe mir darüber noch keine Gedanken gemacht», so der 23-Jährige.