Simon Roth zieht für die SP in den Grossen Stadtrat ein. Wer ist der Mann, der die Bürgerlichen im letzten Sommer fast zur Weissglut trieb?
«Wir werden Simon Roth nicht wählen.» Die Ankündigung von FDP-Parteipräsident Daniel Wettstein war unmissverständlich. In Absprache mit der SVP und der CVP verweigerte seine Partei bei den Wahlen in die Einbürgerungskommission am 6. September des letzten Jahres die Gefolgschaft. Die Bürgerlichen warfen dem städtischen SP-Vizepräsidenten Roth vor, er habe vertrauliche Informationen aus der Kommission an die Parteileitung weitergegeben und damit das Kommissionsgeheimnis verletzt.
Ein Vorwurf, der auch medial breit ausgeschlachtet wurde – und den letzte Woche die Staatsanwaltschaft als haltlos beurteilte. «Wir kommen zum Schluss, dass der Tatverdacht nicht erhärtet werden konnte. Die Staatsanwaltschaft Luzern hat daher das Verfahren eingestellt», sagte Simon Kopp, Informationsbeauftragter der Staatsanwaltschaft.
Gewählt wurde Roth vom Grossen Stadtrat gleichwohl.
Im Leben sieht man sich immer zweimal, scheint sich auch das Schicksal bei Simon Roth zu sagen. Der 29-jährige Bibliothekar, der beim Staatsarchiv Luzern arbeitet, wird im Sommer in den Grossen Stadtrat nachrücken – als Ersatz für Fraktionschef Dominik Durrer, der beim Kanton neu stellvertretender Departementssekretär wird und seine politische Funktion nicht weiter ausüben kann. Roth freut sich auf sein Mandat. «Ich spüre eine gewisse Angespanntheit, denn es werden in mich sicher gewisse Erwartungen gesetzt. Immerhin verfüge ich schon über eine gewisse politische Erfahrung», sagt Simon Roth.
Angst vor dem Aufeinandertreffen mit jenen bürgerlichen Politikern, die seine Wahl in die Einbürgerungskommission letzten September noch um jeden Preis verhindern wollten, hat er nicht. «Nein, Groll hege ich keinen», sagt Roth. «Ich bin kein nachtragender Mensch, und mit dem Einstellungsentscheid der Staatsanwaltschaft ist das für mich abgehakt.» Obwohl: Verstehen, warum gerade er ins Fadenkreuz geraten sei, könne er nicht. Es habe nie einen direkten Kontakt zwischen ihm und den Parteipräsidenten von FDP und SVP gegeben.
Die Anschuldigungen vom letzten Sommer haben Simon Roth kurzzeitig etwas aus der Bahn geworfen. Denn er hat überhaupt nicht mit so etwas gerechnet. Zumal er in der politisierenden Familie bislang der wohl Unbekannteste ist. Seine Mutter Regula war Präsidentin des Bürgerrates von Luzern und langjährige Kantonsrätin für die SP, sein jüngerer Bruder David ist ebenfalls SP-Kantonsrat und nationaler Präsident der Jungsozialisten, die Tante Maria Roth- Bernasconi ist Nationalrätin für den Kanton Genf.
«Mein Bruder muss als Juso-Präsident das Rampenlicht suchen. Ich bin froh, ist dies nicht meine Aufgabe», vergleicht sich Simon Roth mit seinem Bruder. Er habe sich auch bei Wahlen nie als Spitzenkandidat aufgedrängt, sondern im Hintergrund Wahl- oder Abstimmungskämpfe organisiert. «In der Familie diskutieren wir selbstverständlich das aktuelle Geschehen, aber es wird nicht nur politisiert. Wenn es um kommunale politische Themen geht, sind meine wichtigeren Bezugspersonen SP-Parteipräsident Claudio Soldati oder Fraktionschef Dominik Durrer.»
Familiär ist Simon Roth sicher vorbelastet, einen Zwang, in die Politik zu gehen, verspürte er aber nicht. Als er mit 15 Jahren die Lehre als Informations- und Dokumentationsassistent begann, trat er jedoch der Gewerkschaft bei. «Das gehörte für mich zur Arbeitswelt dazu», sagt Roth, der sich als sehr vielseitig und kulturinteressiert beschreibt. Bis vor rund zehn Jahren hat er in einer Band mitgespielt, geht heute noch oft zu Musikkonzerten, «von Klassik bis Punk höre ich alles», und erhält dank einer WG-Kollegin, die beim Luzerner Theater arbeitet, neue Einblicke in die Theaterwelt. Und seit vielen Jahren kocht er freiwillig bei Ausbildungskursen, war früher jahrelang in der Pfadi aktiv. «Es ist wichtig, dass es Leute gibt, die Freiwilligenarbeit machen. Mir hat sie aber immer auch etwas zurückgegeben in Form von Erlebnissen und von neuen Menschen, die man kennen lernt.»
Seine politischen Ziele beschreibt der Sozialdemokrat durchaus konservativ. «Ich bin in Luzern aufgewachsen, und ich will behalten, was ich hier schätze», sagt er. Er werde sich für günstigen Wohn- und Gewerberaum einsetzen. «Wer in der Stadt lebt, soll seine Ideen auch umsetzen können. Ich möchte nicht nur einseitig Firmen und Reiche in Luzern ansiedeln. Auch die Einheimischen sollen sich entfalten können.» Genau deswegen hat er für den Interviewtermin das Café beim Alpineum ausgesucht, wo junge Leute den Betrieb führen. Simon Roth bekräftigt, dass er seine Überzeugungen habe, die er durchbringen möchte. Gleichwohl bezeichnet er sich vom Charakter her als integrativ.
Tatsächlich ist Simon Roth im Gespräch nicht der Mann der grossen Töne, der markigen Sprüche. Dass sich die Bürgerlichen im letzten Sommer trotzdem derart auf ihn eingeschossen hatten, möge wohl auch damit zusammenhängen, dass sie sich an Bruder David bereits des Öfteren die Zähne ausgebissen hätten, vermutet Simon Roth. In ein paar Wochen erhält er, Simon, nun aber die Gelegenheit, nicht nur parteiintern, sondern auch der Öffentlichkeit zu zeigen, wer der Mann, den die Bürgerlichen partout nicht mehr in die Einbürgerungskommission wählen wollten, wirklich ist.