Die US-Notenbank Fed erhöht den Leitzins erwartungsgemäss. Gleichzeitig gibt sich Fed-Chefin Janet Yellen sehr zurückhaltend über die Erfolgschancen von Präsident Trumps Wirtschaftsreformen.
Renzo Ruf, Washington
Janet Yellen mag nicht spekulieren. Die Chefin der amerikanischen Notenbank Fed weigerte sich am Dienstag während einer Pressekonferenz, über die Auswirkungen der geplanten Wirtschaftsreformen von Präsident Donald Trump auf die amerikanische Konjunktur zu grübeln – obwohl das Weisse Haus einen grundlegenden Umbau der Wirtschaft angekündigt hat, eine Reform der komplexen Steuergesetzgebung inklusive. «Wir haben noch keine Strategie entworfen», sagte Yellen stattdessen. Denn letztlich sei weder «die Grösse» noch «der Charakter» dieser Reformen im Detail bekannt. Hinzu komme, dass eine Steuerreform nur «ein Faktor unter vielen» bei der Beurteilung der Wirtschaftslage sei.
Deshalb hätten die Mitglieder des Offenmarktausschusses, des geldpolitischen Gremiums der Fed, darauf verzichtet, eine längere Diskussion über Präsident Trump zu führen. Natürlich nähmen die Währungshüter aber zur Kenntnis, dass sich im Land ein gewisser Optimismus breitgemacht habe, sagte Yellen – obwohl sich dieser wirtschaftspolitische Enthusiasmus nicht unbedingt bereits positiv auf die Konjunktur ausgewirkt habe. Basierend auf anekdotischen Erzählungen jedenfalls warteten viele Firmen noch mit Investitionsentscheidungen zu, sagte sie.
Im Klartext heisst das: Fed-Chefin Yellen und ihre Kollegen bleiben skeptisch und rechnen nicht damit, dass die amerikanische Konjunktur einen Gang höherschalten wird. Diese Skepsis schlägt sich zum Beispiel in den Prognosen der Fed-Ökonomen nieder. Im Mittelwert rechnen sie mit einem Wirtschaftswachstum von jeweils 2,1% in den Jahren 2017 und 2018. Im Jahr 2019, nach zwei Jahren Präsident Trump, werde die Konjunktur gar nur noch um 1,9% zulegen. Auch bei der Arbeitslosenquote prognostizieren die Fed-Experten keinen massiven Rückgang. Im Jahr 2019 werde die offizielle Quote deshalb 4,5% betragen, 0,2 Prozentpunkte weniger als im vergangenen Februar. Yellen betonte, diese nüchternen Prognosen sollten nicht missverstanden werden: Daraus lasse sich nicht schliessen, dass die Fed den Versprechen Trumps keinen Glauben schenke. Sie habe bereits «mehrere Male» mit dem neuen Finanzminister Steve Mnuchin gesprochen, wie es der Tradition entspreche, sagte Yellen. Diese Gespräche, die sich um die Wirtschaftslage und die Bankenaufsicht gedreht hätten, seien «sehr gut» gewesen. Auch mit dem Präsidenten habe sie sich, wenn auch nur ganz kurz, ausgetauscht.
Grundsätzlich, sagte die Fed-Chefin, wären die Währungshüter glücklich, wenn die Konjunktur jährlich um 3% oder mehr zulegen würde, so wie es sich die Regierung zum Ziel gesetzt hat. Die Fed stehe wirtschaftsfreundlichen Reformen grundsätzlich immer «sehr positiv» gegenüber. Sie stelle sich aber auf den Standpunkt, dass «wir genügend Zeit haben», sich auf neue Rahmenbedingungen einzustellen – wenn diese den notwendigen politischen Prozess absolviert hätten. Bis dann gilt laut Yellen die «simple» Parole: «Der amerikanischen Wirtschaft geht es gut.»
Aus diesem Grund entschied der Offenmarktausschuss gestern Abend nach seiner zwei Tage dauernden Sitzung, den Leitzinssatz um einen viertel Prozentpunkt auf eine Bandbreite von 0,75% bis 1,0% anzuheben. Dabei handelt es sich um die nunmehr dritte Zinserhöhung seit der Finanzkrise vor einer Dekade. Ausserdem deutete Yellen an, dass die Fed im laufenden Jahr noch zweimal an der Zinsschraube drehen werde. Damit vollzog die Notenbank mehr oder weniger, was der Markt vorausgesagt hatte. Die Aktienbörsen reagierten deshalb sehr positiv auf die Ankündigung, während der Dollar ziemlich stark an Wert verlor und zumindest kurze Zeit fast wieder Parität zwischen der US-Währung und dem Schweizer Franken herrschte. Dann machte der Dollar wieder Boden gut.
Der Entscheid des Ausschusses fiel mit einer Gegenstimme. Der neue Präsident der Fed-Zweigstelle in Minneapolis, der Republikaner Neel Kashkari, sprach sich gegen eine weitere Zinserhöhung aus. Eine Begründung für diese überraschende Gegenstimme blieb vorerst aus.
Heute gibt die Schweizerische Nationalbank (SNB) ihre geldpolitischen Entscheide bekannt. Nach dem Stillhalten der Europäischen Zentralbank vergangene Woche wird dasselbe von der SNB erwartet.