WIRTSCHAFTSKRAFT: Indien bleibt an der Spitze

Die Ökonomie des Subkontinents wächst weiterhin rasant. Die «Demonetarisierung» hat aber vielen Indern übel mitgespielt.

Willi Germund, Bangkok
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Im Schlussquartal des vergangenen Jahres ist die indische Wirtschaft laut Angaben des Zentralen Statistikbüros (CSO) um 7% gewachsen – und das trotz der «Demonetarisierung», in deren Rahmen die Regierung von Premier Narendra Modi die 500- und 1000-Rupien-Scheine für ungültig erklärte und 86% der Währung vom Markt nahm. Arvind Subramanian, oberster Wirtschaftsberater der Regierung, relativiert denn auch: «Die offiziellen Wachstumszahlen spiegeln wahrscheinlich nicht das wirkliche Leid, das Indiens informeller Sektor wegen der Demonetarisierung erlebte.» Neun von zehn Indern arbeiten in solchen Jobs, die staatlich kaum reguliert und kontrolliert werden.

Laut der Regierung soll aber auch diese Pein bald vorbei sein. «Ab April wird die Wirtschaft wieder deutlich anziehen», lässt das Finanzministerium verlauten. Und das CSO prognostiziert für das ganze Finanzjahr, das bis Ende März dauert, ein Gesamtwachstum von 7,1%. Der Inter­nationale Währungsfonds (IWF) traut Indien freilich nur 6,6% zu. Der IWF-Missionschef für Indien, Paul A. Cashin, hatte Modis Entscheid, die Banknoten über Nacht aus dem Verkehr zu ziehen, als «Staubsauger» tituliert, der Bargeld fresse und nur langsam wieder ausspucke. Jedoch läge Indien, Asiens drittgrösste Volkswirtschaft, auch mit 6,6% immer noch knapp vor China.

Viele Inder schenken nach Monaten der Entbehrungen den rosigen Prophezeiungen Delhis nur wenig Glauben. Über Wochen mussten sie täglich stundenlang anstehen, um ihre Bargeldvorräte vor dem Verfall zu retten. Ausserhalb der Städte waren Kleinbauern und Tagelöhner wochenlang gezwungen, sich bargeldlos durchzukämpfen. Viele Inder verloren ihre Jobs, weil ihre Unternehmen sie mangels Geld nicht bezahlen konnten.

Anhänger der Regierung feiern Modis «Demonetarisierung» dagegen als wichtigen Schritt im Kampf gegen Korruption. Aber das Ziel, Schwarzgeld auszuräuchern, scheint verfehlt worden zu sein. Jedenfalls legen Zahlen nahe, dass die Millionen, die daheim unter Matratzen versteckt waren, mit gewissen Abschlägen umgetauscht worden sind. Selbst Regionalpolitiker in Indiens Bundesstaaten, die zunächst um ihre bar gehaltenen Wahlkampfkassen gefürchtet hatten, scheinen auf keine grossen Umtauschprobleme gestossen zu sein.

Willi Germund, Bangkok