Wer bietet mehr Vaterschaftsurlaub? So locken Unternehmen die jungen Väter

Im Wettbewerb um Fachkräfte setzen Firmen auch auf mehr Vater- und Mutterschaftsurlaub.

Kaspar Enz
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Viele Unternehmen bieten mehr Vater- und Mutterschaftsurlaub als gesetzlich vorgeschrieben. (Bild: Getty)

Viele Unternehmen bieten mehr Vater- und Mutterschaftsurlaub als gesetzlich vorgeschrieben. (Bild: Getty)

Wer bietet mehr Vaterschaftsurlaub? Während ein Komitee Unterschriften gegen einen gesetzlichen Vaterschaftsurlaub sammelt, wird das Gesetz von vielen Unternehmen längst überholt. Auch Ostschweizer Firmenzentralen sind mit dabei. «Unser neuer GAV ist der fortschrittlichste der Branche», verkündete die Weinfelder Lidl-Zentrale kürzlich. Wichtigste Neuerung war die Verdoppelung des Vaterschaftsurlaubs auf vier Wochen und eine Erhöhung des Mutterschaftsurlaubs auf 18 Wochen. Gleichentags meldete sich Aldi Suisse. «Als moderner Arbeitgeber möchten wir unsere Mitarbeitenden bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf unterstützen», und zwar mit einer Verdoppelung des Vaterschaftsurlaubs auf vier Wochen.

Bereits auf Anfang Jahr hatte die St.Galler Kantonalbank mehr Urlaub für Eltern eingeführt. Zwei Wochen für Väter, 20 für Mütter. Im Branchenvergleich eine zeitgemässe Regelung, heisst es bei der Bank.

Einsatz trägt langsam Früchte

«Es gibt immer mehr Unternehmen, die begriffen haben, dass das Bedürfnis vorhanden ist», sagt Linda Rosenkranz. Sie ist Sprecherin von Travail Suisse. Der Gewerkschaftsdachverband war treibende Kraft hinter der Initiative für den Vaterschaftsurlaub. Die angeschlossenen Verbände setzten sich bei Tarifverhandlungen schon seit Jahren für Vaterschaftsurlaub und Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein. «Zurzeit mit einigem Erfolg», sagt Rosenkranz.

Wie die Erhebungen von Travail Suisse zeigen, ist der Vaterschaftsurlaub auf dem Vormarsch. Von den Arbeitnehmern, die einem GAV unterstehen, haben 62 Prozent Anspruch auf mehr als einen Tag Vaterschaftsurlaub. Vor zwei Jahren waren es noch 60 Prozent.

Gerade Verwaltungen und grosse und internationale Unternehmen gewähren oft mehrere Wochen Vaterschaftsurlaub, sagt Rosenkranz. Vor allem dort, wo der Fachkräftemangel spürbar ist, würden oft gute Bedingungen geboten. Von den 125 Unternehmen, die Travail Suisse untersucht hat, bieten diejenigen aus der Technologiebranche den längsten Vaterschaftsurlaub.

Pharma-Riese geht voran

Tatsächlich war es der Novartis-Konzern, der das Rennen um die Väter dieses Jahr lostrat: 14 Wochen Vaterschaftsurlaub bietet der Pharma-Riese. In der Finanzbranche war Raiffeisen mit 15 Tagen Vorreiter. Nun hat Zurich Versicherungen den Spitzenplatz übernommen: Sechs Wochen sind neu Standard. ­Väter, die die Hauptbetreuung übernehmen, erhalten gar 16.

Bei dem Wettkampf bleiben aber Lücken, sagt Rosenkranz. Die Grossen sind grosszügig und KMU fallen beim Wettbewerb um Fachkräfte zurück. «Und rund 98 Prozent aller Unternehmen sind KMU.» Wären zwei Wochen gesetzlich vorgeschrieben, würde das auch für ähnlich lange Spiesse sorgen.

Beteiligung der Frauen erhöhen

Auf Vereinbarkeit von Beruf und Familie setzt auch die IHK St.Gallen-Appenzell. «Wir müssen die Beteiligung der Frauen am Arbeitsmarkt erhöhen, um den Fachkräftemangel zu mildern», ist IHK-Direktor Markus Bänziger überzeugt. Zudem führt der gesellschaftliche Wandel dazu, dass Väter zusehends einen grösseren Teil der Familienpflichten übernehmen wollen und werden. Ein Vaterschaftsurlaub könne dabei helfen. Deshalb unterstütze die IHK das Referendum gegen den Vaterschaftsurlaub nicht. «Wir befürworten eher einen Elternurlaub», sagt Bänziger. «Wer wie viel davon nimmt, soll das Paar selber entscheiden.»

Dass manche Unternehmen deutlich grosszügiger sind, sei deren freie Entscheidung. «Wenn eine Firma sich so positionieren will und es sich leisten kann, soll sie so viel Elternzeit geben, wie sie will», sagt Bänziger. Manche Branchen und Unternehmen seien so beim Kampf um Fachkräfte zwar im Nachteil, gesteht er ein. «Aber auch auf dem Arbeitsmarkt muss Wettbewerb herrschen.» Die betroffenen Firmen hätten andere Vorteile. Am Ende sei für die IHK auch der Elternurlaub eine Frage der Eigenverantwortung. «Skeptisch sind wir, wenn es um staatliche Verordnung von höheren Lohnkosten geht.»