Einzahlungen auf ein Jugendsparkonto bei einer Bank sind jederzeit und überall möglich. Trickreicher gestalten sich hingegen da und dort Bezüge. Ein zentraler Punkt: Das Geld muss im Interesse des Kindes verwendet werden.
Neulich in einer Filiale der St. Galler Kantonalbank (SGKB). Ein Vater und sein Sohn betreten die Schalterhalle. Der Viertklässler hat einen Teil seines Sackgelds auf sein Jugendsparkonto eingezahlt und möchte nun 100 Fr. abheben, um sich einen Wunsch zu erfüllen. Doch bald machen die beiden lange Gesichter: Die Bankangestellte verweigert die Auszahlung. Geldbezüge vom Jugendsparkonto seien nicht mehr möglich. Auf Nachfrage verweist die Dame auf eine «interne Weisung» vom Juni, ausserdem handhabten das «die anderen Banken seit langem so». Diese Aussagen lassen Vater und Sohn ratlos zurück.
Recherchen zeigen: Das Thema Jugendsparkonto ist komplex, die einzelnen Banken gehen unterschiedlich damit um, und in der Tat sind Bezüge mehr oder weniger grossen Restriktionen unterworfen. Wer in die Problematik eintaucht, stösst bald auf das Stichwort Kindesvermögen, das rechtlich im Schweizerischen Zivilgesetzbuch (ZGB) geregelt ist. Demnach haben die Eltern «das Recht und die Pflicht, das Kindesvermögen zu verwalten», solange ihnen die elterliche Sorge zusteht (ZGB Art. 318). Erträge des Kindesvermögens dürfen von den Eltern «für Unterhalt, Erziehung und Ausbildung» des Kindes verwendet werden (ZGB Art. 319) – nicht aber, wenn das Vermögen dem Kind unter anderem «als Spargeld zugewendet worden ist».
Mit andern Worten: Der Sparbatzen gehört dem Kind, Eltern müssen ihre Finger davon lassen, und das Kind selbst kann erst darauf zugreifen, wenn ihm die Verfügungsgewalt über das Konto übertragen wurde oder es dieses selbst eröffnet hat. Das ist bei den meisten Banken möglich ab 12 Jahren, teils mit Einwilligung der Eltern, teils ohne.
Ob aber ein Jugendsparkonto, das die Eltern oft gleich nach der Geburt ihres Kindes eröffnen, automatisch unter Kindesvermögen gemäss ZGB fällt, ist umstritten, selbst unter Juristen. Das zeigen Einschätzungen im «Beobachter» von Ende 2012. Wenn Eltern für ihr Kind ein Jugendsparkonto eröffnen, dürfe die Bank Auszahlungen an die Eltern nicht verweigern, meint der Berner Professor Thomas Koller. Nur bei Verdacht auf Missbrauch müsse die Bank einschreiten. Anders sieht es die Freiburger Professorin Alexandra Rumo-Jungo: Wenn die Eltern Vermögen auf den Namen der Kinder anlegen, sei das eine Schenkung und falle ins Kindesvermögen. In der Praxis verlangen einige Banken Angaben über den Zweck des Geldbezugs. Der St. Galler Professor Thomas Geiser findet es dabei sogar «völlig korrekt», wenn die Bank von den Eltern «einen Beleg verlangt, dass das Geld im Interesse des Kindes verwendet wird».
Im Interesse des Kindes: Die Appenzeller Kantonalbank interpretiert dies laut Direktor Ueli Manser so, dass «Ausgaben für werthaltige Gegenstände zu eindeutigen Gunsten eines Minderjährigen, wie die Anschaffung eines Rollers oder eines Velos, zu Lasten des Kindesvermögens abgerechnet werden». Missbräuchlich wären aber Bezüge der Eltern vom Jugendsparkonto, um Steuern zu zahlen oder ein Auto zu kaufen. Die Thurgauer Kantonalbank etwa ist laut Sprecherin Melanie Frei «gemäss Kontovereinbarung berechtigt, einen Nachweis über den Verwendungszweck zu verlangen». Und: Bei einer Saldierung des Kontos «muss das Geld auf ein entsprechendes Konto bei einer anderen Bank überwiesen werden, lautend auf den Namen des Kinds».
Die Zürcher Kantonalbank fährt zweigleisig. Dort sind Bezüge bis zu 10 000 Fr. pro Monat vom Jugendsparkonto «jederzeit möglich», sagt Sprecherin Evelyne Brönnimann. Aber: Eltern können bei der Kontoeröffnung das Sparguthaben als Kindesvermögen im Sinne von ZGB Art. 318 deklarieren. Dann sind Bezüge nur unter den gesetzlichen Einschränkungen möglich.
Einfacher ist das System der Credit Suisse (CS). Pro Jahr sind 50 000 Fr. verfügbar. «Die Verantwortung für die sachgemässe Verwaltung und die befugte Verwendung liegt bei den Eltern», sagt Sprecherin Valeria Ancarani. Hat ein Minderjähriger das Konto selber eröffnet (ab 12 Jahren), zahlt die CS Geld an die Eltern nur aus, falls eine entsprechende Vollmacht ausgestellt wurde.
Eine restriktive Haltung gilt bei Raiffeisen. Während fast alle anderen Banken im Internet informieren, wie viel Geld vom Jugendsparkonto pro Monat oder Jahr grundsätzlich verfügbar ist, schreibt die Genossenschaftsbank: «Auszahlungen sind nur im begrenzten Umfang möglich.» Sprecherin Sonja Stieglbauer erklärt, dass Raiffeisen Jugendsparkonten dem Schutz des Kindesvermögens gemäss ZGB unterstellt. Ergo sind im Grundsatz Bezüge der Eltern «nicht möglich», und Auszahlungen an das Kind als Kontoinhaber erfolgen erst, wenn dieses volljährig ist. Für die Erfüllung von Kinderträumen freilich ist das Institut zugänglich: «Für kleinere Beträge empfehlen wir den Raiffeisenbanken mit dem gesunden Menschenverstand vorzugehen und auch die Interessen des Kindes an einem Bezug zu berücksichtigen», sagt Stieglbauer. Auch bei der Migrosbank sind kleinere Abhebungen laut Sprecher Albert Steck «problemlos möglich».
Und was gilt nun bei der SGKB? «Eltern dürfen Rückzüge vom Jugendsparkonto tätigen», sagt Sprecher Simon Netzle, «solange das Geld für ihr Kind verwendet wird». Jedoch plausibilisiert die Bank die Transaktionen und verweigert die Auszahlung, «wenn die Eltern das Kindesvermögen nicht im Interesse des Kindes verbrauchen». Im eingangs geschilderten Fall sei die Bankangestellte «sehr vorsichtig» gewesen. Netzle: «Die SGKB bedauert, dass den betroffenen Kunden dadurch Umstände entstanden sind.»
Für den Knaben hat die Sache indessen doch noch ein glückliches Ende gefunden. Der Papa hat ihm das Geld von seinem Privatkonto vorgestreckt – und die beiden werden gelegentlich erneut versuchen, in der örtlichen SGKB-Filiale vom Jugendsparkonto etwas Geld abzuheben.