Teurer, aber immer noch günstiger: Im Thurgau sind die Eigenheimpreise auf Aufholjagd

Wohneigentum zu kaufen, kostet immer mehr – auch im Thurgau, wo die Preise von Einfamilienhäusern nun gar stärker steigen als im Schweizer Schnitt. In die Röhre schauen vor allem Junge.

Thomas Griesser Kym
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(Bild: Infografik/jb)

(Bild: Infografik/jb)

«Der Wunsch nach Wohneigentum im Thurgau ist ungebrochen.» Das beobachtet Remo Lobsiger von der Geschäftsleitung der Thurgauer Kantonalbank (TKB). Er muss es wissen, ist diese doch die grösste Hypothekenbank im Kanton. Lobsigers Befund bestätigt Donato Scognamiglio, Chef des Immobiliendienstleisters Iazi. Er hat im Auftrag der TKB einen neuen Thurgauer Eigenheimindex* entwickelt, der künftig halbjährlich online und mit interaktiver Karte publiziert wird. Laut Scognamiglios Berechnungen sind Einfamilienhäuser im Thurgau seit 1998 um gut 49 Prozent teurer geworden, während die Preise gesamtschweizerisch im Schnitt um gut 80 Prozent angezogen haben (siehe Grafik). Jüngst ist der Thurgau allerdings auf die Überholspur eingeschwenkt: So sind die Preise für Einfamilienhäuser im Thurgau in den vergangenen zwölf respektive sechs Monaten mit 3,3 Prozent und 2 Prozent stärker gestiegen als national (2,5 und 1,1 Prozent). Ähnlich sieht die Entwicklung seit 1998 aus bei Eigentumswohnungen, ausser dass deren Preise jüngst leicht nachgegeben haben.

Die Geschichte vom reichen Zürcher

Den Grund, dass der Thurgau aufholt, reduziert Scognamiglio auf den Satz: «Der reiche Zürcher kommt in den Thurgau, denn er möchte reich bleiben.» Konkret: Trotz des beständigen Preiswachstums über die vergangenen Jahre liegen die Preise für Wohneigentum im Thurgau noch immer «auf vergleichsweise gemässigtem Niveau». Hinzu kommt die gute Erreichbarkeit der überregionalen Zentren wie St. Gallen, Winterthur und Zürich. Dies erkläre denn auch, warum seit 2003 Jahr für Jahr weit mehr Menschen aus anderen Kantonen in den Thurgau ziehen als umgekehrt und von hier aus an ihre Arbeitsplätze pendeln. Kehrseite der Medaille ist laut Scognamiglio, dass die steigende Zahl Pendler die Verkehrsinfrastruktur immer stärker belastet, und zwar die Strasse wie die Schiene.

Für seinen Index vergleicht Scognamiglio Äpfel mit Äpfeln. Er bedient sich dazu eines Musterhauses (siehe Karte) und einer Musterwohnung, damit Alter, Flächen, Lage usw. übereinstimmen. Und das Iazi verwendet einzig Transaktionspreise, also effektiv bezahlte Preise, und nicht Preisvorstellungen in Inseraten.

Bevorzugte Lagen am Bodensee

Dabei zeigt sich: Ein typisches Einfamilienhaus im Thurgau mit 180 Quadratmetern Wohnfläche und an guter Lage kostet im Mittel 1,1 Millionen Franken. Von den Bezirken am teuersten ist ein Haus im Bezirk Kreuzlingen (im Schnitt fast 1,3 Millionen Franken), mit Spitzenpreisen in Seegemeinden wie Steckborn oder Mammern. Im Rahmen des kantonalen Durchschnitts liegt das Preisniveau in vielen Gemeinden der Bezirke Arbon, Münchwilen oder Frauenfeld, wobei der Kantonshauptort selber wiederum vergleichsweise teuer ist. Am günstigsten sind Einfamilienhäuser in den südlichen und östlichen Gemeinden des Bezirks Weinfelden, wo das Musterhaus 900000 Franken kostet.

Doch egal wo im Thurgau: In den Zentren jenseits der Kantonsgrenzen ist der Kauf eines Einfamilienhauses kostspieliger: So in St. Gallen mit 1,36 Millionen Franken (24% über dem Thurgauer Mittel) oder in Wil mit 1,39 Millionen (+27 Prozent). In Winterthur kostet das Musterhaus gut die Hälfte mehr als im Thurgau und in Zürich gar mehr als 2,5-mal so viel (2,83 Millionen).

Für viele Junge ist der Zug abgefahren

Trotz des Preiswachstums und obwohl das Bevölkerungswachstum etwas abgeflacht ist: Scognamiglio rechnet damit, dass, so lange die Zinsen tief bleiben, der Thurgau weiterhin für den Erwerb von Wohneigentum attraktiv bleibt und folglich die Preise weiter steigen. Allerdings weist er auch auf einen weiteren Faktor hin: «Geld ist billig , aber die Hürde ist hoch.» Will heissen: Zwar sind Hypotheken relativ günstig, doch die Kriterien, die man erfüllen muss, damit man eine erhält, verbauen vielen Mietern den Erwerb von Wohneigentum. «Über 90 Prozent der Leute, die gerne Wohneigentum hätten, haben nicht die erforderlichen Eigenmittel», schätzt Scognamiglio. Besonders frustrierend sei das für Junge. Diese haben kaum Ersparnisse, und seit 2000 ist Wohneigentum in der Schweiz um 70 Prozent teurer geworden, während die Löhne seither lediglich um 14 Prozent zunahmen. Fazit Scognamiglios aus Sicht der Jungen: «Der Zug für ein Eigenheim ist abgefahren.» Darum brauche es für sie «neue Konzepte».

Dorn im Auge ist dem Iazi-Chef einerseits die 2012 verschärfte Pflicht, eine Hypothek bereits innert 15 Jahren auf 65 Prozent zu amortisieren. Hier kann sich Scognamiglio eine Lockerung auf 20 oder 25 Jahre vorstellen. Sodann setzt er ein Fragezeichen hinter den kalkulatorischen Zinssatz von 4,5 bis 5 Prozent, um die Tragbarkeit zu messen. Dies sei angesichts der Tiefstzinsen zu hoch angesetzt. Für eine Reduktion dieses Zinssatzes hatte Ende 2016 auch Raiffeisen Schweiz plädiert, um mehr jungen Familien Wohneigentum finanzieren zu können, war mit dieser Idee aber auf taube Ohren gestossenen. Auch Lobsiger von der TKB mahnt zur Vorsicht: Zwar könne man sich das jeweils individuell anschauen, doch: «Den Hypothekenmarkt auf breiter Front zu öffnen, könnte auch preistreibend wirken.»

(Bild: Infografik/jb)

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