Tempo im Bau- und Immobilienmarkt

Der Schweizer Bau- und Immobilienmarkt läuft hochtourig: Dieses Jahr werden voraussichtlich 53'000 Neubauwohnungen erstellt. Rasch weg ist meist Wohneigentum. Bei den Mietwohnungen ist da und dort eine deutliche Überproduktion sichtbar.

Jürg Zulliger
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Der Mietwohnungsbau boomt. (Bild: Gaetan Bally/Keystone)

Der Mietwohnungsbau boomt. (Bild: Gaetan Bally/Keystone)

Die vielen Baukräne in den Agglomerationen, aber oft auch auf dem Land sind nicht zu übersehen. Der gesamte Hochbau in der Schweiz wird dieses Jahr voraussichtlich die Marke von 50 Milliarden Franken erreichen. Obwohl bei Büros, den Verkaufsflächen und auch den Mietwohnungen bereits ein sehr grosses Angebot auf dem Markt ist, setzt sich die ­Investitionstätigkeit ungebremst fort. Nimmt man als vorlaufenden Indikator die Baubewilligungen, lässt dies gar auf noch mehr Tempo im Schweizer Hochbau schliessen: Zwischen Mitte 2017 und Mitte 2018 stieg die Zahl der Baube­willigungen gesamtschweizerisch um 4,5 Prozent. Das geht aus dem jüngsten «Immo-Monitoring 2019»* der Beratungsfirma Wüest Partner hervor.

Das Pendel schlägt nun eher zu Gunsten der Nachfrager auf dem Markt aus. In den letzten zwölf Monaten sind die Wohnungsmieten in der Schweiz durchschnittlich um 2,2 Prozent gefallen. Die Jahresprognose für 2019 gibt Wüest Partner mit –1,5 Prozent an. Demgegenüber stehen die Eigentumswohnungen und die Einfamilienhäuser alles in allem unter positivem Vorzeichen. In der Ostschweiz sind die Mieten und Kaufpreise fürs Wohnen alles in allem sehr stabil. Eine durchschnittliche Mietwohnung mit vier Zimmern im Raum St. Gallen liegt aktuell bei einem Marktpreis von 1350 Franken; die Monatsmiete für ein gleiches Objekt in Wil oder im Rheintal liegt bei 1320 Franken. In Genf liegt dieser Preis bei 2560 Franken.

Chancen des stationären Detailhandels

Optimistischer als auch schon stimmen die Zahlen bei den Büroimmobilien: Dieses Segment profitiert vom guten Wirtschaftswachstum dieses Jahr, und die Preise fallen trotz teils sehr hoher An­gebotsmengen auf dem Markt nur um 0,3 Prozent (Prognose 2019). Anders zeigt sich der Markt für Verkaufsflächen, der von einem tiefgreifenden Strukturwandel erfasst ist. Die harte Konkurrenz durch Onlineshops und veränderte Konsumgewohnheiten führen allerdings nicht zu einem dramatischen Lädelisterben und verwaisten Einkaufspassagen.

Die Mieten der Verkaufsflächen dürften in den nächsten zwölf Monaten im Schnitt aber um 2,5 Prozent fallen. Viele Geschäfte erzielen bei weitem nicht mehr die gleichen Umsätze wie früher. Die These, dass dem Detailhandel eine schwere Krise bevorsteht, wäre aber zu einfach: Denn wo die Lage gute Passantenfrequenzen verspricht, lassen sich im Verkauf weiterhin gute Erträge erwirtschaften. In vielen Städten und mittleren Zentren gewinnt die Beschäftigungsdichte stark an Bedeutung: Viele Leute erledigen auf dem Weg zur Arbeit oder zur Ausbildung Alltagseinkäufe. Oder sie verpflegen sich in der Mittagszeit.

Die Zahl leerstehender Wohnungen ist dieses Jahr weiter auf über 72'000 gestiegen. 82 Prozent davon betreffen Mietwohnungen. In Städten wie Zürich oder Genf ist es deswegen nicht einfacher, erschwinglichen Wohnraum zu finden. Die Probleme akzentuieren sich dort, wo hohe Leerstände und eine weiter hohe Neubautätigkeit zusammentreffen: etwa im Oberaargau, dann in Olten, Brugg-Zurzach, La Broye, Jura, Aigle, Fricktal, Bellinzona oder im Laufental. Hinweise für ein Ungleichgewicht in der Ostschweiz zeichnen sich am ehesten im Raum Wil und im Rheintal ab.

Der Wohnungsüberschuss hat nicht das Ausmass der Krise in den 1990er-Jahren erreicht. Verschiedene Experten schätzen, dass in der Schweiz eine Leerwohnungsziffer von 1,15 bis 1,3 optimal für einen funktionierenden Markt wäre. In der Studie ist nun von einem Überschuss von rund 31000 Wohnungen die Rede (die Leerwohnungsziffer liegt bei 1,6 Prozent). Seit dem Höhepunkt 2015 sind die Mieten der ausgeschriebenen Wohnungen um rund 4 Prozent gefallen. Die Zahl muss aber im Kontext interpretiert werden: Der Anteil Wohnungen im höheren Segment ging zurück. Die neuen Wohnangebote weisen im Schnitt weniger Fläche auf und entsprechen einem gängigen, mittleren Ausbaustandard. Der Anteil tatsächlicher Preisreduktion dürfte somit deutlich unter der Zahl von 4 Prozent liegen.

Eigentümer älterer Immobilien bekommen die Quittung

Immerhin sinkt aber die Preisdifferenz zwischen den freien Marktmieten und den regulierten Mietkosten bei bestehenden Mietverhältnissen (siehe Grafik). Wer zum Beispiel in einer älteren Wohnung bei ungekündigtem Vertrag wohnt, war von stetigen leichten Preiserhöhungen betroffen. Die laufenden Senkungen des massgeblichen Referenzzinses würden an sich Preisreduktionen erwarten lassen. Dass dies kaum der Fall war, dürfte mehrere Gründe haben, etwa wertvermehrende Investitionen und Umbauten. Das breitere Marktangebot dürfte den einen oder anderen zu einem Umzug veranlassen. Etwa wenn ein Mieter notgedrungen ein eher teures Angebot annahm und jetzt in Stadtnähe eine bessere Wohnung findet.

Was den Neubau betrifft, fallen gleich mehrere Sparten auf: Besonders intensiv sind die Investitionen in Gesundheits- und Bildungsbauten der öffentlichen Hand, aber auch in fast allen anderen Bereichen wie Industrie, Gewerbe, Lager usw. Besonders im Fokus sind natürlich die Investitionen im Wohnungsbau: Laut der Studie bleibt die Jahresproduktion an Neubauwohnungen auch dieses Jahr mit rund 53'000 Einheiten konstant hoch. Den Löwenanteil machen die Mietwohnungen mit 30'000 neuen Einheiten aus. Auf das Konto neuer Eigentumswohnungen gehen 15'000, auf neue Einfamilienhäuser 8000.

Von privaten und institutionellen Investoren ist sehr viel Geld im Markt. Immobilien bleiben in, weil die Tiefzinsen und der Kapitalmarkt kaum Alternativen bieten. Das führt zu unverändert hoher Zahlungsbereitschaft. Auch herrscht fast überall Verdrängungswettbewerb. Moderne Geschäfts- und Bürohäuser oder Logistikimmobilien finden durchaus Abnehmer, wenn sie Topstandard zu einem guten Preis versprechen. Dafür bekommen Eigentümer älterer Immobilien die Quittung: Sie müssen Leerstände hinnehmen oder öfters die Mieten senken.

Hinweis

*Wüest Partner: «Immo-Monitoring 2019», Herbstausgabe, circa 200 Seiten www.wuestpartner.com/publikationen