SYMPOSIUM
«Wir müssen immer noch reden»: HSG-Studierende wollen Taten sehen

An der Jubiläumszeremonie des 50. St.Gallen Symposiums gab es viele lobende Worte für den Generationendialog, der hier seit 50 Jahren gelebt werde. Die Studierenden, die das Symposium dieses Jahr organisierten, machten aber klar: Ihnen ist es ernst mit dem Generationendialog. Und dem Dialog müssen Taten folgen.

Kaspar Enz
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Giorgio Metz, Maximilian Wörlein und Nadine Merz (v. l.) vertreten die Studierenden, die das Symposium dieses Jahr auf die Beine stellten.

Giorgio Metz, Maximilian Wörlein und Nadine Merz (v. l.) vertreten die Studierenden, die das Symposium dieses Jahr auf die Beine stellten.

Bilder: Ralph Ribi

«Eine Studenteninitiative, die jedes Jahr ihr Organisationskomitee austauscht, hat nicht unbedingt Aussichten auf langes Bestehen», sagt Christian Sutter. Doch das International Students' Committee (ISC) besteht schon viel länger als die fünf Jahre, seit Sutter selbst dabei war. Das diesjährige St.Gallen Symposium ist bereits die 50. Ausgabe des Anlasses, den das ISC Jahr für Jahr organisiert. 900 HSG-Studenten haben seit 1970 jeweils ihr Studium für rund ein Jahr auf Eis gelegt und ihre Zeit dem Symposium gewidmet.

Brücke zwischen Theorie und Praxis

Warum sie das taten? Sutter, heute Präsident der Ehemaligen, weiss es. Es sei eine Brücke zwischen Theorie und Praxis, sagt er. Es gelte, scheinbar unlösbare Probleme zu bewältigen, Antworten auf Fragen zu finden, deren Existenz man kaum erahnte. «Schon nach zwei Wochen merkt man, wie wichtig Werte wie Disziplin, Zuverlässigkeit oder Vertrauen wirklich sind.»

Die Jubiläumszeremonie war eine der wenigen Programmpunkte dieses Jahr, an dem tatsächlich alle Redner persönlich vor Ort waren, wenn auch ohne Publikum. Und es gab viel Lob und Preis für die Studenten und das Symposium. HSG-Rektor Bernhard Ehrenzeller lobte den Geist des Symposiums. Er sei aus dem Austausch zwischen dem damaligen Rektor Francesco Kneschaurek und einem «inspirierten Kreis von Studenten» entstanden.

Rektor Bernhard Ehrenzeller.

Rektor Bernhard Ehrenzeller.

Damals, Ende der 1960er-Jahre, gingen die Studenten weltweit auf die Strasse, oft gab es gewalttätige Auseinandersetzungen. «Hier suchte man einen anderen Weg, um soziale Spannungen anzugehen und sozialen Wandel anzustossen.» Von der Universität wohlwollend begleitet, brachten sie Führungskräfte mit Studenten zusammen zum Gespräch. «In einer Zeit, als Gewalt den Dialog ersetzt zu haben schien.»

Dialog statt Aufruhr

«Damals galt die Universität St.Gallen als Insel der Ruhe», sagt Wolfgang Schürer. Er war damals einer der fünf Studenten, die das ISC gründeten. «Man dachte, das sei deshalb so, weil es eine Wirtschaftsschule sei.» Das war aber nicht der Hauptgrund, sagt er. «Die HSG war damals eine kleine Universität, wo man den helvetischen Konsens pflegte.» Was auch deshalb funktionierte, weil die Universitätsleitung zugänglich und offen für den Dialog gewesen sei. Und Schürer erinnerte daran, dass das St.Galler Management-Modell mit seinem Stakeholder-Ansatz seiner Zeit 25 Jahre voraus gewesen sei.

Die Organisation des Symposiums habe die Studenten herausgefordert. «Uns fehlten Erfahrung und Unterstützung», sagt Schürer. Aber die Initiative gab ihnen die Chance zu lernen. «Learning by Doing», einerseits. Aber auch im Dialog: dem zwischen den Generationen und dem zwischen Theorie und Praxis.

Vertrauen wieder herstellen

Auch Bundesrätin Karin Keller-Sutter lobte die Gründer des Symposiums, die nicht wie die Kommilitonen anderswo nach Revolution riefen, sondern über den Generationendialog die liberale Wirtschaftsordnung stärkten. Und der Dialog sei immer noch wichtig. Denn wieder sehe sich die Wirtschaft wachsender Kritik gegenüber, das zeige sich auch beispielsweise an den Abstimmungen über die Konzernverantwortungs-Initiative. Die Wirtschaft müsse sich wieder Gehör verschaffen, sagte sie, aber auch die Sorgen der Bevölkerung anhören, um das Vertrauen wieder herzustellen.

Auch Bundesrätin Karin Keller-Sutter gratulierte dem Symposium.

Auch Bundesrätin Karin Keller-Sutter gratulierte dem Symposium.

Denn Vertrauen, Trust, ist nicht nur das Thema des diesjährigen Symposiums. Es sei auch ein wichtiger Wettbewerbsvorteil der Schweiz.

Es ist kurz vor zwölf

Dass der Generationendialog weiter wichtig ist, machte danach Maximilian Wörlein im Namen der Studenten klar, die das Symposium dieses Jahr organisierten. «Aber wir stehen hier auch etwas frustriert.» Denn es sei 100 Sekunden vor 12. «Was können wir tun, um dem Klimawandel, der gesellschaftlichen Spaltung und den Folgen der Pandemie zu begegnen, in der kurzen Zeit, die uns noch bleibt?», fragt er. «Wir müssen reden, immer noch.»

«Wir schenken euch unser Vertrauen», sagt Wörlein. Und Giorgio Metz, ebenfalls Teil des Führungstrios des Studentenkomitees, fügte an: «Aber wir wollen auch etwas dafür. Einen Sitz am Tisch.» Wie 1968 habe die Jugend mit den Klimaprotesten ihre Stimme erhoben. Es sei jetzt Zeit, zuzuhören, Lösungen zu diskutieren und diese gemeinsam umzusetzen.

Studentin Nadine Merz.

Studentin Nadine Merz.

«Vielleicht ist es nicht leicht, jemanden an den Tisch zu holen, der ihnen sagt, sie seien ein Teil des Problems», fuhr Nadine Merz, die dritte der Studierenden, weiter. Das Vertrauensangebot heisse auch, dass es nicht mehr darum gehe, jemanden zu beschuldigen. «So lange ihr uns helft, Lösungen zu finden für die Dinge, die jetzt wichtig sind. Und wir meinen jetzt.»