START award Thurgau. Im Finale: Verrückt nach Schuhen

Bei Weinfelden betreibt Ena Ringli ein selten gewordenes Gewerbe in der Schweiz: Die Schuhmanufaktur Yép.

Stefan Borkert
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Ena Ringli stülpt das Leder über den Leisten eines von ihr entworfenen Herrenschuhs. Bild: Donato Caspari

Ena Ringli stülpt das Leder über den Leisten eines von ihr entworfenen Herrenschuhs. Bild: Donato Caspari

Ena Ringli steht mit beiden Füssen in ihren eignen Schuhen. Sie hat vor knapp fünf Jahren ihre eigene Schuhmanufaktur gegründet. Yép, so der Marken­name, ist die Lautschrift des ­vietnamesischen Wortes für Schlappen. Eigentlich ist die Schuhmacherei in der Schweiz ein aussterbendes Handwerk. Auf leisen Sohlen hat sich der Beruf des Schuhmachers hierzulande fast verabschiedet. Vergangenes Jahr ist sogar der Verband aufgehoben worden. Die verbleibenden Schuhmacher sind unter das Dach der Orthopädietechniker geschlüpft, dem Verband Fuss und Schuh.

«Ja, die Eltern hätten zunächst schon kurz geschluckt, als sie nach der Matura den Wunsch äusserte Schuhmacherin zu lernen, sagte Ena Ringli. Doch sie konnte fast nicht anders. «Schon als Kind haben mich Schuhe fasziniert. Ich bin verrückt nach Schuhen.» Dieses Feuer haben die Eltern gespürt und sie dann auch unterstützt. Inzwischen hat sie sogar den Vater angelernt, der ihr nun in ihrem Betrieb hilft. Nach der Schuhmacherlehre zog sie weiter ins deutsche Pirmasens, dem ehemaligen Mekka der Schuhmacher und Schuhindustrie. Ringli studierte dort Schuh- und Ledertechnik. Mit dem Diplom in der Tasche ging es in eine Schuhfabrik nach Vigevano in Italien. Für ihren Arbeitgeber baute sie in China eine Produktionsstätte auf und war schliesslich rund 14 Jahre in Sachen Schuhproduktion von Asien bis Italien unterwegs. Diese Erfahrungen und Kontakte kommen ihr heute zugute. Für ihre Herren- und Damenschuhe kauft sie nur beste Qualität ein. Leisten, also die Fussform für Schuhe, hat sie selbst entwickelt. Nach den Jahren im Ausland hat sie in der Scheune der elterlichen Liegenschaft eine Manufaktur mit einem kleinen Werkstattladen eingerichtet. «Hier werden alle Herrenschuhe gefertigt», sagt sie. Die drei Damenlinien stellt für sie ein kleiner Familienbetrieb in Vigevano, das nahe bei Mailand liegt, her.

START award

Drei Finalisten sind für den vierten Start Award des Startnetzwerks Thurgau nominiert. Mit dem Preis werden Jungunternehmen aus dem Kanton Thurgau ausgezeichnet, die in den vier Kategorien Unternehmerpersönlichkeit, Geschäftsmodell, Potenzial zur Schaffung von Arbeitsplätzen und Nachhaltigkeit überzeugen. Die Preisverleihung findet am 23. März 2020 statt. Wir stellen die Finalisten in loser Reihenfolge vor. (bor)

Verkauft werden Yép-Schuhe auf Messen, über den Onlineshop, im Werkstattladen, an Events, wenn die Manufaktur ihre Türen öffnet, in Winterthur im Schuhgeschäft Gangart und im Rytz in Bern.

In allen Regionen der Schweiz präsent

«Nein, einen Businessplan hatte ich nicht», sagt sie. Einen Plan aber schon. Denn sie ist bewusst nicht nur in der Ostschweiz präsent, sondern in allen Regionen der Schweiz. Um die 400 Paar Schuhe verkauft sie mittlerweile jährlich. Tendenz steigend. Dabei macht sie keine eigentliche Feinmassanfertigung. Wobei die Schuhe schon individuell an den jeweiligen Fuss angepasst werden. «Mich interessiert der Manufakturgedanke», sagt Ringli, die auch das Design entwirft und entsprechend die Leisten dazu anpasst. Alle Maschinen und Materialien habe sie selbst gekauft, vom eignen Geld, ohne Kredit. Und der Maschinenpark wächst. Derzeit denkt sie über einen maschinellen Zuschneidetisch nach.

Wichtig ist ihr der Kontakt zu den Kunden und die Wertigkeit der Schuhe. «Meine Schuhe können lange getragen werden. Man kann sie gut reparieren. Das ist auch ein Beitrag zur Nachhaltigkeit», sagt sie.