Vor genau einem Jahr hat Mathieu Fleury den neu geschaffenen Posten als Chef des Konzernbereichs «Kunden» beim Bahnkonzern übernommen. Nun zieht er weiter und wird Chef einer SBB-Tochter in der Westschweiz. Einen Nachfolger gibts nicht.
Sicherheit, Pünktlichkeit und Sauberkeit. Das sind die drei Schlüsselbegriffe bei den SBB, seit Vincent Ducrot im April 2020 das Steuer bei der von Kundenseiten heftig kritisierten Bahn übernommen hat. Und damit diese drei Worte nicht leere Floskeln bleiben, sondern auch ihren Weg ins operative Geschäft finden, hatte Ducrot per 1. Juni 2020 einen neuen Konzernbereich «Kunden» geschaffen und diesen Mathieu Fleury anvertraut, dem langjährigen Westschweizer Konsumentenschützer. Seitdem war Fleury als «Monsieur Clients» eine Art Anwalt der Kunden gegenüber den SBB - aber gleichzeitig eine Art der Anwalt der SBB gegenüber der Kundschaft.
Doch nun - genau ein Jahr später - verlässt Fleury den Posten wieder und übernimmt den Chefsessel bei Lémanis. Das Jointventure von SBB und der französischen Bahngesellschaft SNCF betreibt die neue, grenzüberschreitende S-Bahn Léman Express. Und er geht per sofort.
Ersetzt wird er nicht. Der Konzernbereich «Kunden» wird aufgelöst, sein Team, das etwa aus einem Dutzend Personen besteht, wird in die Division «Markt» integriert, die mit der Zweiteilung des Konzernbereichs Personenverkehr in «Markt» und «Produktion» entstanden ist. Der Bereich «Kunden» habe wichtige Aufbauarbeit geleistet, hält SBB-Sprecher Reto Schärli fest. Durch die Integration der Aufgaben «in die Linie» würden «Redundanzen vermieden und Synergien erzielt». In Zukunft sei Véronique Stephan als Divisionsleiterin «Markt» und Mitglied der Konzernleitung dafür zuständig, «die Sicht und Stimme der Kundinnen und Kunden konzernweit in die SBB zu tragen».
Der Léman Express wurde Ende 2019 in Betrieb genommen und ist der neue Stolz der Romandie: Es ist die grösste, transnationale S-Bahn in Europa mit einem Schienennetz von 230 Kilometer. 240 Züge fahren täglich über die Grenze und bedienen insgesamt 45 Bahnhöfe. Er freue sich, dieses «Leuchtturmprojekt» zu begleiten, das die Mobilität von mehr als einer Million Menschen tiefgreifend verändere, sagt Fleury. «Kundenorientierung wird meine Priorität sein.»
Für ihn ist es auch eine Art Rückkehr: Denn er war in seiner Funktion als Konsumentenschützer Teil der Expertengruppe «Léman 2030», welche die Planung von Grossprojekten des öffentlichen Verkehrs in der Romandie koordinieren sollte, und damit auch jene des Léman Express. In dieser Arbeitsgruppe hatte er Vincent Ducrot kennengelernt, der damals noch Chef der Freiburger Verkehrsbetriebe TPF war. Als dieser dann zum SBB-Kapitän ernannt wurde, holte er Fleury an Bord, der sich in dieser besagten Expertengruppe, aber auch öffentlich oft als unerbittlicher SBB-Kritiker gezeigt hatte. Ducrot sei mit dem Job-Angebot als «Monsieur Clients» auf ihn zugekommen und habe ihm gesagt «Fais-le!», wie Fleury sich erinnert. Und er hats gemacht. Aber eben nur für ein Jahr.