Korruptionsgelder: Rückerstattung an Usbekistan nur bei Reformen

Die Schweiz will Korruptionsgelder von über 800 Millionen Franken an Usbekistan zurückerstatten. Dies dürfe nur abhängig von Reformen geschehen, fordern Menschenrechtsaktivisten.

Balz Bruppacher
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Die Schweiz soll das Geld mit Bedacht an Usbekistan zurückzahlen, fordern Menschenrechtsaktivisten. Im Bild Moynaq, eine ehemalige Hafenstadt im Westen Usbekistans, die vor dem Rückgang des Aralsees von der Fischerei lebte. ((Bild: Taylor Weidman/Bloomberg (14. März 2018))

Die Schweiz soll das Geld mit Bedacht an Usbekistan zurückzahlen, fordern Menschenrechtsaktivisten. Im Bild Moynaq, eine ehemalige Hafenstadt im Westen Usbekistans, die vor dem Rückgang des Aralsees von der Fischerei lebte. ((Bild: Taylor Weidman/Bloomberg (14. März 2018))

Nach über sechsjährigen Ermittlungen der hiesigen Strafverfolgungsbehörden soll die Korrup­tions- und Geldwäschereiaffäre um die Tochter des 2016 verstorbenen Präsidenten Usbekistans (wir berichteten) möglichst rasch abgeschlossen werden. Der Bundesrat beschloss am 9. Mai 2018, die auf Banken in Genf und in Zürich eingefrorenen Gelder in der Höhe von rund 800 Millionen Franken an Usbekistan zurückzuerstatten, falls diese Vermögenswerte in einem Strafverfahren rechtskräftig eingezogen werden. Am 22. Mai erliess die Bundesanwaltschaft Strafbefehle gegen zwei Mitbeschuldigte in der Affäre und verfügte die Einziehung von rund 700 Millionen Franken. Im Fall der Hauptbeschuldigten Gulnara Karimowa ist das Verfahren aber noch im Gang.

Dieses von unserer Zeitung bekannt gemachte Vorgehen löste bei Experten Erstaunen aus. Denn es besteht die Möglichkeit, dass der Grossteil der mutmasslichen Korruptionsgelder zurückerstattet wird, ohne dass sich in der Schweiz ein Gericht mit der grössten Geldwäschereiaffäre der letzten Jahre befasst hätte. Noch sind allerdings Rekurse gegen die Strafbefehle hängig. Bei Nichtregierungsorganisationen kam zudem die Befürchtung auf, die Schweiz wolle die eingefrorenen Gelder möglichst rasch loswerden und lasse dabei ihre eigenen Prinzipien für die Restitution von Potentatengeldern ausser Acht (siehe Kasten am Textende).

Offener Brief von usbekischen Aktivisten

In einem offenen Brief fordern nun usbekische Menschenrechtsaktivisten Bundesrat und Parlament zu einem vorsichtigen und verantwortungsvollen Vorgehen bei der Rückerstattung auf. Andernfalls bestehe ein grosses Risiko, dass die Vermögenswerte erneut gestohlen und in westlichen Ländern und auf Offshore-Plätzen landeten.

Die Aktivisten appellieren an die Schweiz, ihre eigenen Prinzipien bei der Restitution einzuhalten, und nennen eine Reihe von Bedingungen. Die Gelder müssten den Opfern der Korruption, das heisst der ganzen usbekischen Bevölkerung, zugutekommen. «Das beste Mittel dazu sind nicht Entschädigungen, sondern Massnahmen, um das Ausmass der Korruption und der Menschenrechtsverletzungen in Usbekistan zu reduzieren», heisst es in dem Brief. Weil solche Reformen nicht über Nacht umsetzbar seien, müsse ein schrittweises Vorgehen gewählt werden, bei dem Usbekistan für erreichte Ziele belohnt werde. Konkret schlagen die Aktivisten vor, dass sich Usbekistan verpflichtet, eine Anti-Korruptions-Behörde und ein transparentes öffentliches Beschaffungswesen einzuführen. In der öffentlichen Verwaltung sei für die Beseitigung von Interessenkonflikten zu sorgen. Weiter sei die Unabhängigkeit der Gerichte sicherzustellen. Transparenz und international anerkannte Revisionen fordern die Aktivisten für die öffentlichen Finanzen und für das Rechnungswesen in der Privatwirtschaft. Ihnen geht es nach eigenen Angaben nicht um Konfrontation mit der politischen Führung des Landes. Es dürfe aber nicht bei Lippenbekenntnissen bleiben. Im Zweifelsfall solle die Schweiz die Gelder behalten, bis konkrete und überprüfbare Fortschritte vorlägen.

Separater Vertrag über die Modalitäten

Im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) war zunächst keine Stellungnahme zu den Forderungen erhältlich. Anfang Juli hatte das EDA erklärt, konkrete Schritte und Verhandlungen über eine allfällige Restitution könnten erst beginnen, wenn ein rechtskräftiger Entscheid der Justiz vorliege.

Laut früheren Auskünften des Bundesamts für Justiz ist vorgesehen, dass das EDA danach mit Usbekistan einen separaten Vertrag über die Modalitäten der Rückerstattung aushandelt. So sollen die Gelder nicht in falsche Hände gelangen.

Strategie der Transparenz und Kommunikation

Der Bundesrat hatte sich 2014 in einer Strategie unter anderem zu transparenten und sorgfältig ausgewählten Rückführungsmodalitäten verpflichtet und zu einem verstärkten Einbezug der lokalen Zivilgesellschaft im Herkunftsland der Gelder bekannt. Auch eine aktive und klare Kommunikation gehört zu diesen Prinzipien. Damit die restituierten Vermögenswerte nicht wieder unrechtmässig abfliessen, sondern auf transparente Art und Weise zum Wohle der Bevölkerung verwendet würden, sei oft eine aufmerksame Überwachung der Verwendung der Gelder notwendig, heisst es in diesem Papier. (bbp)