Roche kauft US-Biotechfirma und prescht in das Feld der Gentherapien vor

Nun also auch Roche: Wie Konkurrent Novartis investiert das Unternehmen Milliarden in neue Gen- und Zelltherapien. Roche kauft dazu die US-Biotechfirma Spark Therapeutics für 4,3 Milliarden Dollar.

Andreas Möckli
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Der Pharmakonzern Roche zahlt für Spark 114.50 Dollar pro Aktie, was einer Prämie von 122 Prozent zum Schlusskurs vom letzten Freitag entspricht. Spark mit Sitz in Philadelphia ist erst knapp sechs Jahre alt. Das Unternehmen setzt dabei voll auf Gentherapien. Mit der Behandlung namens Luxturna hat das Unternehmen bereits ein Produkt erfolgreich auf den Markt gebracht.

Es handelt sich um eine Injektion ins Auge, mit der eine erbliche Form von Netzhautdegeneration behandelt wird. Was mit Nachtblindheit beginnt, endet über die Jahre mit kompletter Erblindung. Aus Schweizer Optik pikant: Spark hat die Rechte an Luxturna ausserhalb der USA vor gut einem Jahr für 130 Millionen Dollar an Novartis verkauft.

Doch Roche interessiert sich vor allem für Therapien gegen die Bluterkrankheit, an denen Spark forscht. Dabei handelt es sich um eine genetisch bedingte Blutungsstörung, bei der das Blut nicht richtig gerinnt. Bei den Betroffenen halten Blutungen länger an und können im Wiederholungsfall vor allem in den Gelenken zu schweren Schäden führen.

Bisherige Studien zeigen, dass die einmalige Dosis des Präparats von Spark zu einer massiven Reduktion von Blutungen führt. Auch die Notwendigkeit der Behandlung mit anderen Medikamenten wird damit stark vermindert.

Roche hat mit dem Medikament Hemlibra bereits ein eigenes Präparat auf dem Markt. Konzernchef Severin Schwan glaubt aber nicht, dass neue Gentherapien wie jene von Spark dem bestehenden Mittel das Wasser abgraben werden, wie er der Nachrichtenagentur Reuters sagte. «Unsere beste Vermutung ist, dass die Patienten tatsächlich beide Optionen brauchen – ein Medikament wie Hemlibra und mit der Zeit zunehmend auch eine Gentherapie.»

Konkurrenz oder Ergänzung?

Seine künftige Tochterfirma Spark sah das zumindest im vergangenen Jahr noch anders. Damals legte das Unternehmen neue Studiendaten zur eigenen Gentherapie vor. Diese brächten Spark dem Ziel näher, «spontane Blutungen eines Tages vollständig zu eliminieren und Patienten möglicherweise von der Notwendigkeit regelmässiger Infusionen zu befreien».

Mit den Infusionen war auch Helimbra gemeint. Ob Schwan oder Spark recht behält, muss die Zukunft zeigen. Analysten rechnen bislang mit einem Spitzenumsatz für Hemlibra von 3,8 Milliarden Dollar. Das Medikament ist damit ein wichtiger Pfeiler, um den Umsatzverlust der alten Krebsmittel auszugleichen. Diese werden mittlerweile stark durch Nachahmerpräparate bedrängt.

Ohnehin ist Spark nicht die einzige Firma, die an einer Gentherapie gegen Hämophilie forscht. So arbeitet etwa die kalifornische Biotechfirma Biomarin an einem ähnlichen Ansatz beim gleichen Typ der Krankheit. Sowohl Spark als auch Biomarin wollen noch in diesem Jahr mit der letzten Phase der klinischen Entwicklung beginnen. Die daraus resultierenden Studien sind später entscheidend, ob ein Medikament grünes Licht von den Zulassungsbehörden erhält oder nicht. Ein Kopf-an-Kopf-Rennen ist programmiert.

Eine Million und mehr

Wie bereits Novartis setzt sich nun auch Roche der Kritik an superteuren Medikamenten aus. Bei diversen Gentherapien bewegen sich die Preise zwischen knapp einer Million Dollar und mehr. Die einmalige Spritze mit dem eingangs erwähnten Luxturna gegen Netzhautdegeneration kostet in den USA rund 850 000 Franken.

Bei den Gentherapien gegen die Bluterkrankheit gehen Analysten von Preisen zwischen 1 und 1,5 Millionen Franken aus. Der Chef der Biotechfirma Biomarin nannte gar einen möglichen Preis von zwischen 2 und 3 Millionen Dollar für die eigene Therapie.

Die Hersteller rechtfertigen die Preise der Zell- und Gentherapien mit deren hoher Wirksamkeit und der einmaligen Anwendung. Bei gewissen Behandlungen besteht gar eine Chance auf eine vollständige Heilung. Dies erklärt auch, weshalb Biotechfirmen in diesem Bereich so begehrt sind. Therapien mit der Chance auf eine vollständige Heilung verdrängen ältere weniger wirksame Therapien rasch.

In der Schweiz war bislang Novartis risikofreudiger. Neben dem Deal mit Spark kauften die Basler vor knapp einem Jahr die Biotechfirma Avexis für 8,7 Milliarden Dollar. Novartis erhielt damit Zugriff auf eine neuartige Gentherapie zur Behandlung einer seltenen Krankheit, die bei Neugeborenen zu einem Muskelschwund führt.

Milliarden für Zukäufe

Der Spark-Deal von Roche ist nur der jüngste einer Reihe. Die Pharma- und Life-Sciences-Branche (einschliesslich Medizinaltechnik) spielt im Geschäft mit Fusionen und Übernahmen hierzulande eine Schlüsselrolle. 2018 gab es Deals mit einem Gesamtwert von fast 30 Milliarden Dollar.

Während Konzerne wie Novartis und Roche in der Regel die betragsmässig grössten Geschäfte verantworten, gehen immer mehr Transaktionen durch die Hände von privaten Beteiligungsgesellschaften. Diese wachsende Konkurrenz dürfte für die im Pharmageschäft ungewöhnlich hohen Übernahmepreise mitverantwortlich sein. Doch Schweizer Firmen sind auch bei ausländischen Käufern äusserst beliebt. So hatte 2017 der US-Konzern Johnson & Johnsen 30 Milliarden Dollar für den Kauf von Actelion bezahlt. 2014 einigten sich Novartis und die britische Pharmafirma GSK auf ein grosses Tauschgeschäft im Wert von weit über 25 Milliarden Dollar.