Jahrelang war Tillate fester Bestandteil des Nachtlebens vieler Jugendlicher. Doch Social-Media-Plattformen wie Instagram haben dem Portal den Rang abgelaufen. Die Marke Tillate dürfte bald verschwinden.
Für viele Teenager war es jahrelang Tradition: Am Tag nach der Partynacht besuchte man die Internetseite von Tilllate, um zu sehen, ob man es in die Online-Galerie des Portals geschafft hatte. Das Kerngeschäft von Tilllate war das Ausschwärmen von Fotografen in die trendigsten Clubs, um von den Partygästen Schnappschüsse zu machen. Die Seite war 2000 gegründet worden. Es waren Zeiten, in denen es noch prickelnd war, das eigene Konterfei im grossen Netz zu entdecken.
In der Folge stiegen die Klickzahlen stetig. 2003 wagte man die Expansion ins Ausland, nach England, Deutschland, Frankreich und Italien. Dies weckte auch das Interesse des Tamedia-Verlags, der 2007 damit begann, sich an Tilllate zu beteiligen. 2010 folgte die Übernahme zu 100 Prozent, die vier Gründer zogen sich zurück. Im Ausland haperte das Geschäft bereits damals.
In der Zwischenzeit wurde die Konkurrenz mit den sozialen Netzwerken stetig grösser. Zuerst kam MySpace, dann Facebook, Instagram, Whatsapp und Snapchat. Und mit dem Smartphone wurden die Partygänger zu ihren eigenen Fotografen. Wer braucht Tilllate, wenn es Selfies gibt? Eine Frage, die sich auch Tamedia stellt. Bereits seit 2016 taucht der Brand nur noch als Sub-Marke der Pendlerzeitung «20 Minuten» auf. Laut Informationen unserer Zeitung hegt das Verlagshaus nun sogar Pläne, die Marke ganz einzustampfen. Eine Sprecherin sagt: «Wir prüfen zurzeit eine mögliche Integration von Tilllate in 20 Minuten.» Tilllate sei zwar noch immer der grösste Jugendkanal der Schweiz, seit 2017 seien die Klickzahlen und Werbeumsätze jedoch rückläufig.
Die Bezeichnung «Foto- und Ausgangsportal» verwendet Tamedia nicht mehr. Statt Party-Eindrücken publiziert Tilllate heute redaktionelle Artikel, die sich vor allem an eine jüngere, männliche Zielgruppe richtet mit Titeln wie «Schluckt eure Rotze gefälligst runter», «Das passiert, wenn man in der Antarktis kocht» oder «Mein Ex schickte seiner Schwester Nacktfotos». Die Konkurrenzportale Partyguide.ch und Usgang.ch von Ringier Axel Springer setzen hingegen nach wie vor auf Party-Bildergalerien. Doch auch bei ihnen sind Klicks zuletzt stark zurückgegangen, wie eine Auswertung des Branchenportals Net-Metrix zeigt.
Tamedia will sein neues Konzept voraussichtlich Anfang nächstes Jahr präsentieren. Die Frage, wie viele Angestellte von der Neuorganisation betroffen sind, beantwortet die Sprecherin nicht. Dem Vernehmen nach sind heute rund zehn Personen für Tilllate tätig. Vor zehn Jahren waren es noch über 30.
Das ehemalige Trendportal ist nicht allein in seiner Misere. Zahlreiche einstige Internet-Pioniere hatten gegenüber den Riesen aus dem Silicon Valley das Nachsehen. Bevor die User auf Facebook in Europa zu «anstupsen» und «liken» begannen, «gruschelten» viele Jugendliche auf dem deutschen Portal StudiVZ, das 2005 gegründet wurde. Zu den besten Zeiten hatte StudiVZ rund 17 Millionen Nutzer. Doch mit Facebook, das heute weltweit mehr als 2 Milliarden Mitglieder zählt, kam die Abwärtsspirale. Letztes Jahr meldete StudiVZ Insolvenz an.
In der Schweiz gab es Meinbild.ch. Auf diesem Portal, das es zuweilen auf 120 000 User brachte, konnte man sein eigenes Bild online publizieren. Anfang der 2000er-Jahre geschah dies noch mit dem MMS-Bildformat. Ein Upload eines MMS kostete einen Franken. 2004 kaufte die Post einen Drittel des Portals und machte dem Gründer ein Angebot im hohen sechsstelligen Bereich für eine komplette Übernahme. «Ich hätte das Geld nehmen sollen», sagt der Gründer heute. Der Abstieg begann schleichend. Für das unerfahrene Team hinter Meinbild.ch wurde der Aufwand immer grösser. 2011 hiess es: Konkurs.