Chefin sein und Kinder haben: Zwei Dinge, die noch immer nicht zusammenpassen. Frauen stecken deshalb im Job zurück – sie scheitern an den Umständen. Ein Netzwerk der Thurgauer Kantonalbank nimmt sich dieses Problems an.
WEINFELDEN. Karriere und Kind. Zwei K, die sich nicht vertragen. Zwar sind Frauen gerngesehene Mitarbeiterinnen – nur bitte nicht in der Chefetage. Denn für Mütter kommen häufig nur Teilzeitstellen in Frage. Und eine teilzeitarbeitende Chefin wird eben nicht ernst genommen. So die verbreitete Meinung.
Kaderstellen sind weitgehend in Männerhand. Das ist auch bei der Thurgauer Kantonalbank (TKB) der Fall, wie ein Blick auf die Mitarbeiterstatistik verrät. Obwohl fast die Hälfte aller Angestellten Frauen sind, ist nur ein Fünftel des Kaders weiblich. Auf Direktionsstufe leitet gerade mal eine Chefin. Männer sind es auf derselben Stufe 60 an der Zahl.
Aus diesem Grund initiierte die Geschäftsleitung der TKB die Gründung eines firmeninternen Frauen-Netzwerks. Seit der ersten Stunde mit dabei ist Melanie Frei. Als Leiterin des «TKBelle» setzt sie sich seit einem Jahr für mehr Frauen in der Chefetage sein. Die Kommunikationsfachfrau weiss: Frauen können es in «der eher männlich geprägten Finanzbranche» schwierig haben. Auch sie habe sich ab und an Bemerkungen anhören müssen. Diese Branche sei doch nichts für eine Frau, hiess es dann.
«Banken haben den Ruf, dass es ab einer gewissen Stufe schwierig ist, Familie und Job unter einen Hut zu bringen», sagt Frei. Zwar absolvierten viele junge Frauen ihre Ausbildung bei einer Bank. «Doch viele stecken im Job zurück, wenn sie eine Familie gründen.»
Woran liegt das? Frei glaubt, dass oft die Vorbilder fehlen. «Wir brauchen Frauen, die zeigen, dass es auch anders geht.» Hier will das Netzwerk der TKB anknüpfen. Seine Vision ist ein angemessener, ausgewogener Frauenanteil auf allen Stufen. «Wir wollen Frauen ermutigen, Karriere zu machen, unabhängig von ihrer familiären Situation.»
Das Netzwerk fördert den Austausch unter den Mitarbeiterinnen. An Mittagessen und Workshops können sie neue Kontakte knüpfen und alte pflegen. Das Netzwerk soll auch als Sprachrohr wirken. «Wir hören uns an, was die Frauen zu sagen haben», sagt Frei. Viele wünschten sich mehr Flexibilität im Job. Sie wollen von zu Hause aus oder Teilzeit arbeiten, ohne auf die Karriere verzichten zu müssen.
Auf dieser Basis hat das Netzwerk Vorschläge an die Geschäftsleitung formuliert, mit dem Ziel, die Flexibilität im Arbeitsalltag zu erhöhen. So werden auf Anregung des Netzwerks beispielsweise Jobsharing-Modelle geprüft. Davon würden Männer und Frauen gleichermassen profitieren, sagt Frei.
Ins Netzwerk eingegliedert ist ausserdem ein Mentoringprogramm. Mentoring-Verantwortliche Stefanie Walraf erklärt, dass es sich dabei um «ein Förderprogramm zwischen einer unerfahrenen und einer erfahrenen Person» handelt. Das Pilotprojekt läuft seit gut einem halben Jahr, sieben Paare haben sich angemeldet. Anders als das Netzwerk ist das Programm auf einzelne Mitarbeiterinnen ausgerichtet.
Seit einem Jahr existiert das «TKBelle». Kommunikationschefin Anita Schweizer ist zufrieden mit der bisherigen Entwicklung. Das Netzwerk habe in der kurzen Zeit einen beachtlichen Bekanntheitsgrad innerhalb des Unternehmens erreicht, sagt sie. Zahlen – etwa wie viele Frauen wegen des Netzwerks eine Kaderstelle erhalten haben – könne sie keine vorweisen. «Es handelt sich um ein längerfristiges Projekt.»
Wird das Netzwerk Frauen in Zukunft Arbeitsplätze vermitteln können? Von heute auf morgen gehe das nicht, sagt Anita Schweizer. Das Netzwerk mache erste Schritte in die richtige Richtung. «Wir lassen das Thema nicht versanden. Es braucht aber auch ein Umdenken in Wirtschaft und Gesellschaft.»