Kolumne
Böse Worte: Kultur

Mit spitzer Feder spiesst der Zürcher Organisationspsychologe Felix Frei
nebulöse Manager-Begriffe auf.

Felix Frei
Drucken

«Culture eats strategy for breakfast». Also sprach der Management-Guru Peter Drucker. Dem Meister ist nicht zu widersprechen – doch man fragt sich, ob so viele Unternehmenskulturen deshalb so farblos sind, weil sie sich offenbar von viel warmer Luft ernähren … Doch das ist ja nicht der Punkt. Manager wissen seit des Meisters Worten, dass jede Fusion an inkompatiblen Kulturen scheitern kann, dass es ohne die richtige Kultur nichts wird mit Kundenorientierung und dass überhaupt alles besser wäre, stimmte bloss die Kultur.

Was liegt da näher als ein Kulturprogramm? Mit Pauken und Trompeten. Man muss es erleben und spüren. Wenn erst mal alle Führungskräfte in halbtägigen Workshops aus Karton- und Holzresten gemeinsam etwas gebastelt und mit Fingerfarben verschönert haben, dann werden sie ja wohl eine Kooperationskultur entwickeln! Oder wenn am Morgen jeder PC in der Firma mit einem typografisch wohlgestalteten Logo «One Company» auf dem Bildschirm aufstartet, dann werden die Leute gewiss lernen, das Silodenken aufzugeben und fürs Ganze zu denken. Von Outdoor-Trainings mit Abseilen und Über-glühende-Kohlen-Laufen wollen wir lieber schweigen. Die richtige Kultur existiert, wenn die Leute von sich aus genau das machen, was das Management von ihnen erwartet. Erwartet das Management. Dann braucht es endlich auch keine Führung mehr. Alles läuft von allein und wie geschmiert. Wenn da bloss nicht ein klitzekleiner Fehler wäre: Kultur ist die Benzinanzeige. Und wenn der Tank leer ist, dann reicht es nicht, eine neue Anzeige zu montieren. Auch wenn sie viel schöner ist als die alte.

Kultur in einem Unternehmen, das ist die Summe aller Selbstverständlichkeiten. Gespeist wird diese Summe zuallererst vom Tun und Lassen der Führungskräfte – sie sind ein Vorbild. Immer. Manchmal vielleicht ein schlechtes. Aber ein Vorbild allemal. Und wenn man den Grossmeister Drucker paraphrasieren darf: «Doing eats words for breakfast». Beispielsweise können Sie als Chef noch so viel von Fehlerkultur reden – das Entscheidende geschieht erst, wenn ein Fehler passiert ist und man sieht, wie Sie nun reagieren. Egal, was Sie zuvor in Ihre Kulturprogramm-Powerpoint-Präsentation hineingedichtet und erfolgreich durch die Geschäftsleitung gebracht haben. Jeder Unterschied zwischen Worten und Taten ist jener berühmte Unterschied, der einen Unterschied macht. Nicht nur zu Lasten der gesagten Worte, sondern präventiv auch gleich zu Lasten aller künftigen Worte: Worte sind eben ein gefährlicher Sprengstoff.

Organisationspsychologe Felix Frei

Organisationspsychologe Felix Frei

Mit diesem Beitrag beendet der Zürcher Organisationspsychologe seine Kolumne – bedauerlicherweise nicht etwa, weil es keine weiteren vom zeitgeistigen Management missbrauchten Worte gäbe.