Bei den Finanzgeschäften ist die kleine Schweiz ein Imperium. Die beiden Grossbanken UBS und Credit Suisse dominieren den Sektor.
Bei den Finanzgeschäften ist die kleine Schweiz ein Imperium. Die beiden Grossbanken UBS und Credit Suisse dominieren den Sektor. «Ihre Bilanzsumme übersteigt das schweizerische Bruttoinlandprodukt immer noch um das Dreifache», fasst der Soziologe Ueli Mäder in seiner Studie über Geld und Macht in der Schweiz zusammen. Um die Banken haben sich denn auch viele innenpolitische Debatten gedreht.
Näher untersucht hat den Finanzsektor der Soziologe Peter Streckeisen. Er beobachtet, wie sich in der Schweiz das verschiebt, was früher «der Filz» hiess, und zwar in Richtung des aus den USA als «revolving doors» bekannten Phänomens. Der Bericht fasst das so zusammen: «Wir haben es heute demnach weniger mit einer integrierten, über verschiedene Handlungsfelder (Politik, Wirtschaft, Armee) verflochtenen, nationalen Elite zu tun, als mit einer gewissen Entkoppelung zwischen den Managern der global tätigen Konzerne und den Verantwortlichen in Politik und Verwaltung, die primär auf der nationalen Bühne agieren.» Ursprünglich entstanden zur Finanzierung wirtschaftlicher Aktivitäten, haben die Banken mit der Globalisierung ein Eigenleben entwickelt. Ihr Geist hat sich gewandelt.
Genau beobachtet hat diesen Prozess Andreas Cabalzar, der einst zusammen mit Oswald Grübel an der Börse spekuliert hat und heute in der reichen Gemeinde Erlenbach predigt. «Für mich gibt es das alte reformierte Zürich», erzählt er. Da seien Bescheidenheit und Demut ganz wichtig gewesen. Die Devise lautete: «Du zeigst nicht, was du hast. Und gleichzeitig ist ganz klar: Du hast auch einen sozialen Auftrag.» Ganz anders erlebt Cabalzar die Gewinner der New Economy, die er in Erlenbach auch antrifft. «Das sind Hedonisten. Sie halten sich nur mehr selten an das amerikanische Verständnis: Ich hab viel bekommen, also gebe ich etwas zurück. Das Motto lautet: Ich habe viel genommen, also gehört es mir.» Die Politik aber, so ihre Erwartung, «muss die Dienerin der Wirtschaft sein, die Kirche hat gesellschaftliches Schmieröl zu sein».
1979 sind in Grossbritannien und 1981 in den USA neoliberal-konservative Regierungen an die Macht gekommen. Sie haben die Finanzmärkte dereguliert mit der Folge, dass Geschäftsbanken, Hedgefonds und Versicherungen immer grössere Risiken eingegangen sind. 2008 musste in der Schweiz der Staat die grösste Bank retten, momentan laufen Debatten, dass die Banken mindestens das Eigenkapital erhöhen müssen.
Trotz dieser Massnahmen erklärt Marc Chesney, Finanzprofessor an der Uni Zürich, die Probleme seien heute grösser denn je. Er kritisiert die Privatisierung von Gewinnen und die Sozialisierung von Verlusten. Ausserdem erklärt er, dass die Kartellmacht der Banken liberalen Prinzipien zuwiderlaufe.
Ein anderer von Ueli Mäder beigezogener Experte hat früher selber in leitender Funktion für eine grosse Bank gearbeitet: 2003 hat Walter K. H. Hoffmann zwanzig hochkarätige Banker interviewt. Heute sagt er, angesprochen auf einen Wandel im Management durch die Krise: «Spontan würde ich sagen, dass sich tiefgreifend nichts verändert hat. Auf der verbalen Ebene tun sie Busse und versuchen, den Eindruck zu erwecken, dass etwas Neues beginnt. Aber de facto habe ich das Gefühl, dass die richtig eingefleischten Banker eigentlich nichts ändern wollen.»
So steigen denn die Spitzengehälter stärker als die Produktivität, und auch im Bankensektor findet ein Transfer von den tiefen und mittleren zu den sehr hohen Einkommen statt. Die Politik aber, fasst Ueli Mäder zusammen, «beugt sich dem Finanzregime».