Hypotheken zum Spottpreis

Wohnbaukredite werden immer billiger, Wohneigentum wird immer teurer. Das spüren auch Ostschweizer Banken.

Thomas Griesser Kym
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Wegen der tiefen Zinsen ist der Hypotheken- und Häusermarkt aus den Fugen geraten. Bild: Trix Niederau

Wegen der tiefen Zinsen ist der Hypotheken- und Häusermarkt aus den Fugen geraten. Bild: Trix Niederau

Zehnjährige Festhypotheken kosten so wenig wie noch nie. Das zeigen die Richtsätze, die der Vergleichsdienst Comparis kürzlich publiziert hat. Gleichzeitig nähern sich die Sätze der verschiedenen Laufzeiten immer mehr an (siehe Grafik). «Die Richtzinsen zehnjähriger Festhypotheken sind in Griffnähe der Richtzinsen für fünf- und zweijährige Festhypotheken», sagt Comparis-Finanzexperte Frédéric Papp und bezeichnet das als «verkehrte Welt». Denn: Der Risikoaufschlag, den Kunden bisher für langfristige Hypotheken zu zahlen hatten, ist ­extrem abgeschmolzen.

Während die Fremdfinanzierung von Wohneigentum also immer billiger wird, sind die Preise gestiegen. So zeigen die jüngsten Indices von Fahrländer Partner Raumentwicklung, dass sich Eigentumswohnungen innert Jahresfrist um 7,7 Prozent verteuert haben, Einfamilienhäuser um 7,2 Prozent und Bauland um 6,9 Prozent.

In der Ostschweiz mit ihrem unterdurchschnittlichen Preisniveau sind die Zunahmen noch einen Tick höher.

Das hat auch zu tun mit steigender Nachfrage durch Zuzüger etwa aus dem Raum Zürich, die sich dort Wohneigentum nicht mehr leisten können. Kommt hinzu, dass vor sieben Jahren die Kriterien für die Hypothekenvergabe verschärft worden sind, um einer Über­hitzung des Immobilienmarkts vorzubeugen. So müssen Kaufwillige etwa mehr Eigenmittel mitbringen, konkret 10 Prozent, die nicht aus Vorbezügen aus der Pensionskasse stammen.

Kaufpreis, Eigenmittel und Tragbarkeit als Hürden

Wie wirken sich all diese Faktoren auf das Geschäft von Ostschweizer Banken aus? «Die Gruppe der potenziellen Wohneigentumskäufer wird tatsächlich kleiner», sagt René Walser, Leiter Privat- und Geschäftskunden Ost bei der St. Galler Kantonalbank (SGKB). Einerseits seien in den vergangenen Jahren die Preise für privates Wohneigentum stärker gestiegen als die Einkommen. Andererseits könnten Eigenmittel fehlen. «Aber genauso stark beschränkte die fehlende Tragbarkeit in den letzten Jahren die Möglichkeiten eines Eigenheimkaufs», sagt Walser. Das heisst: Der kalkulatorische Zinssatz von 5 Prozent, den Raiffeisen erfolglos zu lockern versuchte, ist eine beachtliche Hürde.

Dennoch wächst der Hypothekarmarkt weiter. Allerdings ist eine Verlangsamung zu beobachten.

Bei der Thurgauer Kantonalbank (TKB) etwa hat das Hypothekenvolumen 2018 um 3,3 Prozent zugenommen nach 3,8 Prozent im Vorjahr. Der Anteil der Festhypotheken ist bei der TKB binnen vier Jahren von 73 auf 77 Prozent gestiegen, sagt Banksprecherin Anita Schweizer. Und: «Fünf- und zehnjährige Festhypotheken werden am stärksten nachgefragt. Walser beobachtet Ähnliches:

«Die Nachfrage nach langfristigen Festhypotheken ist sehr gross.»

Dieser Trend sei nicht überraschend, weil Kunden in einer Tiefzinsphase natürlicherweise die Zinssätze möglichst langfristig vereinbaren wollten. Raiff­eisen-Sprecher Dominik Chiavi hält dagegen: «Auch kurz- bis mittelfristige Laufzeiten werden verstärkt nachgefragt.»

Das Haus auf
 Vordermann bringen

Allerdings: Wegen der Annäherung der Zinssätze der verschiedenen Laufzeiten lässt sich mit kurzfristigeren Hypotheken gar nicht mehr so viel sparen. Bei der SGKB beispielsweise weisen zwei- bis achtjährige Festhypotheken alle den gleichen Richtsatz von 1,10 Prozent auf, neunjährige gibt es für 1,15 Prozent, zehnjährige für 1,20 Prozent. Bei der TKB sind die Abstufungen etwas grösser, die Bandbreite reicht von 1,00 bis 1,20 Prozent. Kunden mit guter Bonität können freilich noch günstiger fahren. Comparis etwa berichtet von zehnjährigen Festhypotheken ab 0,70 Prozent. Schweizer sagt dazu, die Kundenberater «haben einen gewissen Spielraum bezüglich Sonderkonditionen».

Eine wichtige Rolle spielt die Gesamtbeziehung des Kunden mit der Bank.

Könne man den Kunden auch im Anlage- und Vorsorgegeschäft betreuen, sei das Potenzial, «auch einen attraktiven Hypothekarzins anbieten zu können, grösser», sagt Walser.

Fast immer sehr sinnvoll ist laut seinen Worten «eine gewisse Diversifikation in den Zinsmodellen, sprich Geldmarkthypothek versus Festhypothek, sowie in den Laufzeiten». Dazu Chiavi: «Ein Mix verschiedener Laufzeiten bringt den Vorteil mit sich, dass sich eine starke Veränderung der Zinsen nicht auf die ganze Finanzierung auswirkt; nur eine einzelne Tranche ist davon betroffen. Momentan jedoch sieht es nicht nach der abrupten Zinswende aus.

Schweizer beobachtet noch etwas anderes im Tiefzinsumfeld: «Viele bestehende Hypothekarkunden entscheiden sich derzeit für Renovationen, energetische Sanierungen, Umbauten oder Erweiterungen ihres Hauses oder ihrer Wohnung.» Und noch eins ist klar: Der Druck auf die Zinsmarge der Geldinstitute hält an.