Interview
Gekommen, um zu bleiben: Seit zehn Jahren ist Julius Bär in der Ostschweiz präsent

Mitten in der globalen Finanzkrise hat Julius Bär 2008 die Niederlassung in St. Gallen und im Jahr darauf jene in Kreuzlingen eröffnet. Standortleiter Michael Eicher ist ein Mann der ersten Stunde.

Thomas Griesser Kym
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«Es gibt kein Schlupfloch»: Michael Eicher bei Julius Bär in St. Gallen. (Bild: Thomas Hary (25. Oktober 2018))

«Es gibt kein Schlupfloch»: Michael Eicher bei Julius Bär in St. Gallen. (Bild: Thomas Hary (25. Oktober 2018))

Michael Eicher, vor zehn Jahren ist Julius Bär in St. Gallen gestartet. Wie hat sich der Standort entwickelt?

Gut, wir sind angekommen, jeder weiss, dass wir hier sind und hier bleiben. Stabilität ist im Private Banking wichtig.

Der Start am 1. Oktober 2008 fiel praktisch auf einen Höhepunkt der Finanzkrise: Zwei Wochen zuvor war die US- Investmentbank Lehman Brothers zusammengebrochen. Was hat das bedeutet?

Die Finanzkrise hatte für uns Vor- und Nachteile. Wir waren ja neu in St.Gallen und haben hier auf der grünen Wiese bei null be­gonnen. Der Nachteil war: Es herrschte enorme Verunsicherung. Andererseits war für uns vorteilhaft, dass als Folge der Kursrückgänge an den Börsen viele Kunden mit ihrer damaligen Bank nicht mehr glücklich waren. So konnten wir als Neuling gezielt Wunschkunden ansprechen.

Sie haben von einer guten Entwicklung des Standorts gesprochen. In Zahlen?

Wir geben keine Geschäftszahlen für die einzelnen Standorte bekannt. Aber wir sind zufrieden. Wir hatten relativ schnell einen guten Kundenstamm erreicht.

Dann schauen wir mal auf Ihr Personal. Vor zehn Jahren sagte der kurz darauf verstorbene Julius-Bär-Chef Alex Widmer, man wolle in St.Gallen zehn Stellen schaffen. Ihr Team ist nun siebenköpfig.

Es sind aber die richtigen sieben. Von jenen fünf Beschäftigten, die wir zu Beginn hatten, sind vier nach wie vor bei uns. Oft ist es schwierig, die richtigen Kundenberater zu finden und sie zu überzeugen, zu uns zu wechseln. Das braucht Geduld.

Welches Rüstzeug muss denn ein Berater oder eine Beraterin mitbringen?

Die Person muss zum Team passen. Sie sollte über ein Netzwerk verfügen und nebst Kenntnissen der Finanzthemen eine hohe Sozialkompetenz haben. Ein Kundenportefeuille mitzubringen ist nett, aber nicht entscheidend.

Obwohl der Kundenstamm gut sei: Die Kundenakquisition ist ja kein Honiglecken.

Auch das braucht Geduld.

Es ist irrig zu meinen, die Kunden rennen einer Bank die Türe ein, nur weil sie neu auf dem Platz ist.

Zudem gibt es im Bankgeschäft viel Bewegung, auch im Private Banking, vor dem Hintergrund der Digitalisierung und neuer Regulierung wie das Finanzdienstleistungsgesetz Fidleg.

Neue und schärfere Regulierung ist ja mit eine Folge der Finanzkrise und des US-Steuerstreits. Diesen hat Julius Bär Anfang 2016 mit einer Strafzahlung von 547 Millionen Dollar abgeschlossen. Welche Bedeutung hatte das am Standort Ostschweiz?

Es war wichtig, dass das Thema von der Agenda weg war. Die Verunsicherung wich. Wir und unsere Kunden hatten die Gewissheit, dass die Sache erledigt ist.

Gerade die Niederlassung Kreuzlingen hart an der deutschen Südgrenze hat auch viele Kunden aus Baden-Württemberg. Wie hat sich dieser Standort in den ersten neun Jahren seines Bestehens entwickelt?

Ähnlich wie jener in St. Gallen. Wir haben in Kreuzlingen ebenfalls sieben Mitarbeitende, das richtige Team, und wir wachsen sehr gut. Nebst hiesigen Kunden gibt es auch viele Kunden aus Deutschland und aus anderen Teilen Europas, die das Bedürfnis haben, Geld in der Schweiz als sicherer Hort anzulegen.

Versteuertes Geld ist anzunehmen.

Zweifellos. Denn wir haben den automatischen Informationsaustausch. Es sind alles versteuerte Gelder. Es gibt kein Schlupfloch.

Welche Ambitionen hat Julius Bär in der Ostschweiz?

Wir wollen weiterwachsen. Finden wir die richtigen Berater, stellen wir sie ein. Und wir möchten, dass für Personen, die für ihr Vermögen eine Bank suchen, Julius Bär unter den ersten Namen ist, die ihnen einfallen.

Das tönt kühn. Wir haben hier alteingesessene Banken und gerade in St. Gallen Neuzuzüger wie Reichmuth oder CIC, und jüngst hat Vontobel mit der Übernahme von Notenstein La Roche Fuss gefasst.

Dass andere Banken neun oder zehn Jahre nach uns ebenfalls die Ostschweiz entdecken, bestätigt uns, dass St. Gallen für das Private Banking eine gute Adresse ist.

Wir nehmen jeden Konkurrenten ernst.

Wir wollen den Kunden stets die besten Dienstleistungen anbieten, mit umfassender Beratung im Zentrum. Ein Vorteil ist dabei unsere offene Plattform: Wir haben nahezu keine eigenen Produkte, sondern bieten den Kunden die für ihre Bedürfnisse besten auf dem Markt an.

Ihre Zielgruppe sind vermögende Privatkunden. Wie vermögend?

Wir kennen keine festen Limiten. Eine Beziehung muss sinnvoll sein für beide Seiten, für den Kunden und für die Bank. Wir sind aber keine Retailbank. Folglich sind wir interessiert an Kunden mit langfristiger Perspektive betreffend Vermögensaufbau. In diesem Sinne kann am Anfang einer Kundenbeziehung auch ein erst kleines Vermögen stehen.