«Eine widerliche Substanz»

Die Freihandelsgespräche zwischen der EU und den USA lassen sich schlecht an: Washington verbietet die Einfuhr des französischen Hartkäses Mimolette, weil er «faulig und ekelerregend» sei.

Stefan Brändle
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wi - Mimolette (Bild: STEFAN BRÄNDLE)

wi - Mimolette (Bild: STEFAN BRÄNDLE)

PARIS. Kenner nennen ihn auch «Kugel von Lille» – die Mimolette, ein würziger Hartkäse aus Nordfrankreich. Er ähnelt dem holländischen Gouda, ist weniger berühmt als Camembert, Cantal oder Comté, setzt aber jährlich immerhin 3000 Tonnen ab. Ihr nussiges Aroma verdankt die Mimolette winzigen Löchern in der Kraterrinde. Und diese Lüftungsschächte werden von Milben gebohrt. Sie halten sich einzig in der harten, nicht essbaren Rinde auf. Anders als etwa Schimmelpilze oder natürliche Bakterien anderer Käsesorten gelangen sie im Normalfall nicht in die Verdauung.

Die US-Nahrungsmittelbehörde FDA rümpft nun trotzdem die Nase. Mit einem Mal sperrt sie die Einfuhr der «Kugel von Lille». Zur Begründung meint die FDA in aller Deutlichkeit, die Mimolette sei eine «widerliche, faulige und zersetzte Substanz», die Allergien bewirken könne und deshalb für den Konsum ungeeignet sei.

Die Präsenz einiger Milben

Seit März lagern 1,5 Tonnen Mimolette beim US-Zoll; mangels Importerlaubnis müssen sie bald einmal vernichtet werden. Dem französischen Exporteur Isigny Sainte-Mère droht ein Schaden von einigen hunderttausend Euro. Früher hatte die FDA den orangen Rundkäse stets passieren lassen. Mimolette-Hersteller César-Yves Losfeld wundert sich: «Das Reglement hat sich nicht geändert, die FDA legt es bloss strenger aus.» Auf einmal stört sie sich an der Präsenz einiger Milben. Auf einen Quadratzentimeter Rindenoberfläche kommt nicht einmal einer dieser mikroskopisch kleinen Gliederfüssler.

Über die Beweggründe der Amerikaner können die Franzosen nur spekulieren. Benoît de Vitton von Isigny ortet «präzisen und vorsätzlichen Willen» der Amerikaner. Wollen sie zu Beginn der Freihandelsgespräche mit der EU Druck ausüben oder ein Verhandlungspfand schaffen? Richtet sich der Mimolette-Bann gegen Frankreich, das den Kultur- und Mediensektor von den Gesprächen ausgenommen haben wollte?

«Käse essen, der stinkt»

Allerdings gibt es in den USA einige Mimolette-Liebhaber, denen nun was fehlt. «Lasst uns Käse essen, der stinkt», fordert einer der 3000 Unterzeichner eines Internet-Aufrufs. Ein Pariser Blogger klagt seinerseits, in den USA sei es «einfacher, eine Waffe als Käse zu kaufen». Die französischen Hersteller überlegen bereits, die Rinde vor der Ausfuhr in die USA abzuschneiden und durch eine Wachshaut zu ersetzen. Das wäre sauberer und ziemlich steril. Aber: Wäre es noch Mimolette?