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Wirtschaft
Guy Lachappelle wird wohl neuer Präsident der Raiffeisen Genossenschaftsbank. Doch Kritik bleibt an ihm haften.
In zwei Wochen wählen die Raiffeisen-Delegierten den neuen Verwaltungsratspräsidenten von Raiffeisen Schweiz. Guy Lachappelle, der einzige Kandidat, dürfte das Rennen machen. Die oppositionellen Raiffeisen-Kräfte haben die Waffen gestreckt. Wie unsere Zeitung erfahren hat, lancieren sie nicht wie angedroht einen Sprengkandidaten.
Die grossen Zweifel der Kritiker, ob Lachappelle der richtige Mann für die angeschlagene Genossenschaftsbank ist, bleiben aber. Die Kritiker halten daran fest: Für einen glaubwürdigen Neuanfang bei der drittgrössten Bankengruppe der Schweiz sei Lachappelle der Falsche. Seine Rolle im ASE-Betrugsskandal und die Verärgerung von Kleinaktionären bei der Übernahme der Bank Cler nagen an der Glaubwürdigkeit des Noch-Chefs der Basler Kantonalbank. Hinzu kommen Diskussionen um seine künftige Vergütung, die deutlich über jener seines Vorgängers Johannes Rüegg-Stürm liegt. «Es geht nicht darum, ob ihm die Finanzmarktaufsicht die Gewähr bietet oder nicht, es geht darum, dass es nicht den Hauch eines Zweifels an seiner Glaubwürdigkeit gibt», sagt einer der Lachappelle-Kritiker. Öffentlich will sich indessen keiner von ihnen äussern. Dieses Schweigen schwächt ihre Position freilich und macht es der Führungsriege in St. Gallen einfach, die Kritiker aus den eigenen Reihen als notorische Nörgler zu diffamieren.
Trotzdem darf sich Lachappelle nicht zu sehr über den kollabierenden Widerstand freuen. Zwar dürfte er gewählt werden, doch mit einem Glanzresultat darf er nicht rechnen. Das ist auch der Grund, warum es aus seinem Umfeld heisst, dass es besser wäre, er hätte einen Gegenkandidaten. Ginge er nämlich als Sieger aus einer Kampfwahl hervor, wäre Lachappelle für sein Amt legitimiert. Er könnte den Kritikern sagen: «Ihr hattet eine Chance mit eurem Kandidaten, aber ich habe mich durchgesetzt.»
So wird an ihm haften bleiben, er wurde nur gewählt, weil niemand anders gefunden wurde. Pikanterweise ist es genau dieses Argument, mit dem Verwaltungsräte die Kritiker kontern. Man könne froh sein, dass überhaupt jemand diesen Job mache.
Hört man sich in einflussreichen Wirtschaftskreisen um, braucht Lachappelle klar über 80 Prozent der Delegiertenstimmen, um den nötigen Respekt und die Autorität in der Genossenschaft zu erlangen. Stehen nur zwei Drittel oder noch weniger hinter ihm, wird es praktisch unmöglich, die Bank in die Zukunft zu führen. Es dürfte schwer werden, einen fähigen CEO als Nachfolger Patrik Gisels zu finden.
Lachappelle und weitere Verwaltungsratskandidaten nutzen die Zeit bis zu den Wahlen, um bei Delegierten für sich zu werben. Diese Woche war Lachappelle auf seiner Roadshow in Gravesano (TI), in Gisikon (LU) und in Thun. Am Freitagnachmittag weilte er gemäss Terminplan in Lausanne. Nächsten Mittwoch hat er einen Auftritt in Gossau. Dort trifft er die Delegierten aus der Ostschweiz sowie aus Zürich und Schaffhausen. Erst kurz vor seiner Wahl trifft er sich mit den Vertretern der Nordwestschweiz – unter denen sich einige seiner schärfsten Kritiker befinden.