Der «französische Steve Jobs»

Er begann mit Peepshows, wurde der erste Internetanbieter Frankreichs und stellte fort den Mobilfunk auf den Kopf. Jetzt krempelt der Milliardär Xavier Niel seine jüngste Errungenschaft um: Orange Schweiz.

Stefan Brändle
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Vorname Name Funktion Funktion (Bild: ap)

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PARIS. Nur etwas mag Xavier Niel nicht: Dass man ihn an seine beruflichen Anfänge erinnert. Dank eines geschenkten Laptops seines Vaters 1982 entdeckte er das «Minitel rose». Bald schuf er selbst solche Erotikprogramme und investierte zum Schrecken seiner Eltern seine frühreifen Gewinne in Peepshows und Sexshops. Spricht man Niel heute darauf ab, lenkt er ab, er habe «wahrscheinlich schon in tausend Firmen investiert».

1995 verzeichnete der damals 28-Jährige mit dem französischen Internetanbieter Worldnet seinen ersten Geschäftserfolg. Sein zweiter folgte mit der Firma Free, die darauf basierte, Internet, Telefon und Fernsehen in einem Angebot zu vereinen. Für dessen Umsetzung reiste Niel ins Silicon Valley, wo er 2002 die zündende Idee der Freebox hatte. Diese vereint alle Telekomdienste in einen Decoder und zog mit einem billigen Angebot Hunderttausende Kunden an.

Schlaue Ideen und das Image

Vor etwa zehn Jahren ersuchte der «französische Steve Jobs», wie er bereits genannt wurde, bei der Regierung sogar um die vierte Mobilfunklizenz, welche die drei Platzhirsche Orange, SFR und Bouygues bisher erfolgreich verhindert hatten. Gegen ihre mächtige Lobby zog Niel die Öffentlichkeit mit einem Billigangebot auf seine Seite; nach jahrelangem Kampf musste die Regierung 2012 Free Mobile zulassen. Auch jetzt stellte sich der Erfolg sofort ein: Das Monatsangebot von 19.99 € zog binnen zwei Monaten 2 Mio. Kunden an.

Niel hatte aber noch eine Lektion gelernt: Sein Geschäftserfolg hängt nicht nur von schlauen Ideen ab, sondern von seinem (publikumsnahen) Image. Mehrmals prozessierte er vergeblich gegen Pariser Journalisten, die seine Geschäftsstrategie kritisch hinterfragten. Mit zwei Freunden übernahm er dafür mehrheitlich die Zeitung «Le Monde».

Teil des Establishments

Philanthropisch wie Bill Gates schuf Niel zudem in Paris die Schule «le 42» für schlecht ausgebildete Computertalente aus der Banlieue. Auch das trug dazu bei, dass er heute laut Umfragen der beliebteste Unternehmer Frankreichs ist. Dabei wissen die Franzosen auch, dass Niel längst nicht mehr der grosse Preisbrecher für die Volksmassen ist, der gegen das Establishment rebelliert: Heute gehört der 48-Jährige selbst dazu. Er ist liiert mit der Tochter des Milliardärs und Chef des Luxusgüterkonzerns LVMH, Bernard Arnault. Und mit 9 Mrd. € Vermögen hat es Niel längst in die Top Ten der reichsten Franzosen geschafft.

Neue Pläne für Orange Suisse

Nur der beabsichtigte Sprung in den US-Markt – wo er T-Mobile für 15 Mrd. $ kaufen wollte – ist ihm bisher verwehrt. Dafür erwarb er 2014 Monaco Telecom und Orange Suisse. In der Schweiz plant Niel einen neuen Markennamen, der angeblich Salt lautet. Nach einem dreitägigen Blitzumbau aller Orange-Läden soll die Firma im neuen Dekor antreten. Dass Niel die Billigstrategie aus seinem Land auf die Schweiz überträgt, scheint hingegen unwahrscheinlich. Die Lage der beiden Märkte ist nicht vergleichbar. Und Niel auch nicht der Philanthrop, der er so gerne zu sein vorgibt.