Bei ihm laufen alle Fäden zusammen: Der Deutsche Klaus Schwab ist als Gründer und Präsident des Weltwirtschaftsforums eine zentrale Figur am heute beginnenden Anlass. Der Sohn einer Zürcherin erkannte schon früh den Wert von Netzwerken.
Jürgen Dunsch*
Kaum ein Privatmann kennt die Welt der Grossen und Mächtigen so gut wie Klaus Schwab. Seine Agenda ist stets gut gefüllt, vor allem dann, wenn er auf eine seiner zahlreichen Reisen geht und mit Politikern, Konzernchefs, Wissenschaftern und Künstlern spricht. Die 79 Jahre, die der Deutsche mit Geburtsort Ravensburg zählt, sieht man ihm nicht an. Seit Jahrzehnten zieht es ihn rastlos durch die Welt. Aber das Meeting des von Schwab gegründeten World Economic Forum (WEF) in Davos ist dennoch jedes Jahr der Höhepunkt: noch mehr Händeschütteln, noch mehr Treffen, dazu öffentliche Auftritte mit den wichtigsten Teilnehmern und immer die zentrale Botschaft: Globalisierung ist gut, Zusammenarbeit unabdingbar, Gesprächsbereitschaft besser als Konfrontation.
Der Professor und doppelte Doktor des Maschinenbaus und der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften wirkt auf den ersten Blick spröde. Doch in ihm brennt das Feuer eines Moralisten, dies gebündelt in einer merkwürdigen Mischung aus Missionar und Diplomaten. Das WEF ist sein Leben. Klaus Schwab will nichts weniger, als die Welt ein wenig besser, gerechter und friedlicher machen. Entsprechend lautet das Leitmotiv des Weltwirtschaftsforums «committed to improving the state of the world» (Verpflichtet, den Zustand der Welt zu verbessern).
Wahrscheinlich glaubt Schwab selbst ein wenig daran, dass dies seinem Forum, gegründet 1971 als Managertreffen, gelingen kann. Seine Gabe für einprägsame Formulierungen hilft ihm dabei. Mal bezeichnet er sich als «nachdenklichen Kapitalisten», mal seine Organisation als «Rotes Kreuz für internationale Zusammenarbeit» oder das Treffen in Davos als «Wiederholungskurs für globale Verantwortung». Jetzt kommt Donald Trump in die Bündner Berge. Ob gerade er einer der eifrigsten Schüler des Kursleiters wird, darf bezweifelt werden. Viel wäre schon erreicht, wenn Schwab und die anderen möglichen Gesprächspartner in den Bergen seine Dialogfähigkeit ein wenig befördern könnten.
Realistisch betrachtet, schwankt Schwabs Forum zwischen Weltverbesserungsanstalt, Geschäftsanbahnungsinstitut und Filmfestival. Der hohe Anspruch der Weltverbesserung provoziert Widerspruch. Schwab ficht das nicht an. Er ist überzeugt, dass er dem globalen Establishment ins Gewissen reden kann. Daneben fühlt er sich als Mediator für Konfliktfälle, Ideengeber und Trendentdecker. Der bekannte Zukunftsforscher Herman Kahn war schon beim ersten Meeting 1971 dabei. Ganz in dieser Tradition befasst sich Schwab in jüngster Zeit besonders mit den Folgen der vierten industriellen Revolution. Nach einem ersten Bestseller zur Digitalisierung im Jahr 2016 hat er kurz vor dem diesjährigen WEF einen zweiten Band veröffentlicht, der auf zwölf Erscheinungsformen dieser Umwälzung näher eingeht.
Die Biografie von Klaus Schwab legt seine Karriere nicht unbedingt nahe. Sie begann als Professor und verlief dann über den Organisator eines Managertreffens im Auftrag seiner damaligen Hochschule Centre d’Études Industrielles in Genf zum Leiter des Weltwirtschaftsforums und zum Chef einer Art von Weltgesellschaftsforum, als das sich das WEF heutzutage darstellt.
Der deutsche Vater, bei der Geburt des Sohnes Klaus Direktor der Turbinenfabrik von Escher Wyss in Ravensburg, vermittelte ihm am Beispiel der eigenen Person den Sinn für gesellschaftliches Engagement, die Mutter, aus dem Kanton Zürich stammend, lehrte ihn nach Schwabs Worten Grossherzigkeit. Der Sohn schloss seine beiden Studien an der ETH in Zürich und an der Universität Fribourg mit Bestnoten ab. Danach folgte ein Jahr in Harvard.
So weit, so hoffnungsvoll. Aber viele starten glanzvoll und enden im Durchschnitt. Klaus Schwab, zusätzlich ausgestattet mit einem Schuss Unverfrorenheit, erkannte schon früh den Wert von Netzwerken. Zum ersten Meeting in Davos lockte er mehrere Grössen aus Harvard. Darüber hinaus gewann er EG-Industriekommissar Altiero Spinelli als Teilnehmer, wenngleich nur als Privatmann. Schon das erste Treffen zeigt zweierlei: Erstens trachtet Schwab danach, Prominente für seine Anliegen zu gewinnen. Zweitens versucht er den Nerv der Zeit zu ergründen und trifft ihn meistens auch. Früh erkannte er die Bedeutung der Nachhaltigkeit, schon bald wurde das Thema Ungleichheit ein Dauerbrenner in Davos. Mit Kleinigkeiten befasst sich Schwab ungern, er ist der Mann fürs grosse Ganze. Die Knochenarbeit jenseits der Pflege seiner Netzwerke überlässt er gerne anderen.
Klaus Schwab ist kein Kumpeltyp. Schulterklopfen und ausgelassene Festivitäten liegen ihm nicht. Auf der persönlichen Ebene übt der Professor Zurückhaltung. Die Distanz empfindet er geradezu als Vorteil, tritt er damit doch nicht in Konkurrenz zu den vielen Promis mit grossem Geltungsdrang auf den Podien von Davos. Die Zahl der engen Freunde ist begrenzt. In dem Buch «Gastgeber der Mächtigen» sagt Schwab: «Ich konzentriere mich eher auf die Familie. Aber das ganze Jahr über treffe ich durch meine Tätigkeit viele Menschen, mit denen ich mich sehr gut verstehe und die man auch als Freunde bezeichnen kann.»
Schwabs weitaus engste Vertraute ist seine Frau Hilde, die Anfang der siebziger Jahre seine erste Mitarbeiterin war und die er nach dem ersten Davos-Treffen heiratete. Sie engagiert sich selbst im Kulturbereich des Forums. Auch der Sohn ist seit einigen Jahren für die Organisation tätig, während die Tochter ihren eigenen Weg geht. Engere Bande pflegt Schwab mit Peter Maurer, dem Leiter des Internationalen Roten Kreuzes, sowie mit Christine Lagarde, der Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF). Beide sitzen in dem vom Gründer geleiteten Stiftungsrat, dem Board of Trustees. Nicht zu vergessen die Nestlé-Connection, sowohl in Gestalt des früheren Verwaltungsratspräsidenten Peter Brabeck als auch dessen Vorvorgänger Helmut Maucher.
Schon seit Jahren wird gefragt, was wohl nach Schwab kommt. Im September 2017 hat er die Geschäftsführung an den damaligen norwegischen Aussenminister Børge Brende abgegeben. Zugleich rückte Sohn Olivier in die Führungsriege nach. Nach seiner Zeit in China hat dieser mit der Pflege der 1000 Mitgliedsunternehmen ein zweites Schlüsselressort inne. Brende und Schwab junior verkörpern die nächste Führungsgeneration im WEF. Für Spekulationen ist es aber immer noch zu früh. Die 50. Ausgabe von Davos im Jahr 2020 will der geistig und körperlich fitte Klaus Schwab sicher noch eröffnen.
* Zum Autor
Jürgen Dunsch, geboren in Stuttgart, ist in Deutschland seit Jahren als Wirtschaftsjournalist tätig. Seit Anfang 2007 arbeitet er als Korrespondent der FAZ in der Schweiz. Er ist Autor des Buches «Gastgeber der Mächtigen – Klaus Schwab und das WEF».