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Die Nahrungsmittelproduktion und die Mobilität sind nicht nachhaltig, findet der Technologiekonzern Bühler. Der neue Innovationscampus am Hauptsitz in Uzwil soll Abhilfe schaffen. Firmenchef Stefan Scheiber erläutert die Idee dahinter.
Was bezweckt Bühler mit dem Innovationscampus Cubic?
Stefan Scheiber: Wir wollen schneller und effizienter werden in der Schaffung von Innovationen, und wir wollen in der Aus- und Weiterbildung einen grossen Schritt vorwärtsmachen. Ausserdem möchten wir noch attraktiver werden für unsere Kunden und für potenzielle neue Mitarbeitende.
Hat Bühler denn auf diesen Gebieten Defizite ausgemacht?
Im Gegenteil. Das Unternehmen ist seit jeher sehr innovativ. Dieses Denken haben der frühere Patron Urs Bühler und seine Familie stets vermittelt. Urs Bühler sagte immer: «Ihr könnt machen, was ihr wollt, aber reduziert ja nicht bei der Forschung und Entwicklung.» Das gilt für uns nach wie vor; wir investieren in sie jedes Jahr bis zu 5 Prozent unseres Umsatzes.
Dennoch soll der Cubic Bühler weiterbringen. Wie?
Wir schaffen damit eine neue Innovationsplattform, die weit über die Schweiz hinausragt. Dank der Digitalisierung und der globalen Vernetzung sind die technischen Möglichkeiten enorm gestiegen. Das erlaubt es uns, Anlagen, Anwendungen und Verfahrensprozesse ganz anders zu gestalten, viel transparenter und effizienter. So können wir deutlich Energie sparen, Ausbeuten erhöhen und die Sicherheit von Nahrungsmitteln steigern. Und wir werden damit schneller.
Im Cubic steht trotz acht Anwendungszentren, in denen Ideen und Prototypen getestet und weiterentwickelt werden, nicht die Technologie im Vordergrund, sondern die Menschen. Wie ist das gemeint?
Der Cubic ist offen. Hier treffen sich Jung und Alt, Frauen und Männer, Lernende und Erfahrene, Mechaniker und Softwareentwickler, Leute aus der Wissenschaft wie etwa von der ETH, Start-ups und natürlich Kunden. Das fördert die gezielte Kollision: Es gibt Debatten über die beste Lösung. Dabei wird es auch zu konstruktiven Konflikten kommen, aber genau das braucht es für Kreativität und Innovation.
Ist davon in den ersten drei Monaten, in denen im Cubic gearbeitet wird, schon was zu spüren?
Ja. Es findet ein intensiverer Austausch statt zwischen den genannten Gruppen, und es ergeben sich ganz neue Gespräche, die zu neuen Ideen und Projekten führen. Die Energie ist spürbar.
Der Cubic steht auch Start-ups offen. Was für Firmen hat Bühler im Auge?
Solche, die eine Verbindung zu unseren Geschäften haben. Wir wollen Bühler weiterentwickeln, da müssen wir auch an die Ränder gehen und neue Dinge testen. Mess- und Regeltechnik sowie Sensorik spielen eine grosse Rolle. Oder neue digitale Plattformen. Auch Start-ups, die aus unserem eigenen Ideenwettbewerb gegründet werden.
Gibt’s dafür ein Beispiel?
Im Cubic sitzt ein Start-up mit früheren Mitarbeitenden von uns. Diese haben aus Gersten- und Malzabfällen, wie sie in Bierbrauereien anfallen, einen gesunden Inhaltsstoff für Guezli oder Snackriegel entwickelt. Das ist eine sinnvolle Alternative zur Verfütterung an Tiere.
Bühler will ja mit seinen Anlagen und Prozessen dazu beitragen, gesündere Nahrungsmittel und diese effizienter herzustellen, Ressourcen zu schonen, Ernteverluste zu verringern. Wo sehen Sie das grösste Potenzial?
In der gesamten Wertschöpfungskette gibt es viel Potenzial. In ärmeren Ländern gehen bis zu 30 Prozent der Getreideernte verloren, bevor sie im ersten Silo ankommt. Eine unserer Stossrichtungen ist, mit Bühler-Technologie eine lokale Verarbeitung lokaler Rohmaterialien zu ermöglichen.
In Westafrika etwa arbeiten wir daran, aus Maniok-Wurzelknollen Mehl für Brot oder Pasta zu produzieren. Ein weiteres wichtiges Feld ist der Ersatz von Fleisch durch andere Proteinlieferanten wie Soja, Bohnen, Linsen und anderen Hülsenfrüchten.
Und die Digitalisierung erlaubt es, Betriebsdaten besser zu erfassen und zu verarbeiten und folglich die Anlagen und Prozesse zu optimieren. Das gilt auch für unsere Anlagen in der Materialverarbeitung, etwa im Aluminiumdruckguss.
Ein grosses Thema ist auch Food Waste der Konsumenten. Wir werfen bis zu 30 Prozent der Lebensmittel weg. Viele Leute in den Industrieländern sind übergewichtig, während in armen Ländern Hunderte Millionen Menschen unterernährt sind. Kann Bühler auch hier helfen?
Einen verantwortungsbewussten Umgang mit Lebensmitteln muss jeder selber lernen. Wir arbeiten aber daran, zum Beispiel die Haltbarkeitsdauer von Lebensmitteln zu verlängern. Oder wie erwähnt, Nebenprodukte für die menschliche Ernährung nutzbar zu machen.
Betreffend nachhaltiger Ernährung ist immer wieder die Rede von Insekten. Bühler forscht an der Verarbeitung von Insekten, sieht diese aber vor allem als Tierfutter. Warum weniger als Lebensmittel?
Weil im Westen nur eine marginale Minderheit der Konsumenten an Insektenprodukten als Lebensmittel interessiert ist. Das kann sich ändern, wird aber geraume Zeit dauern. Hühner-, Shrimps- oder Fischfarmen dagegen können die Ernährung ihrer Tiere sofort auf Insekten umstellen und so andere tierische und pflanzliche Ressourcen schonen.
Bühler hat immer wieder Firmen zugekauft, zuletzt den Wiener Waffelanlagenhersteller Haas. Sind weitere Arrondierungen denkbar?
Aktuell nicht. Ich will aber auch nichts ausschliessen. Zunächst wollen wir aber die Möglichkeiten im Cubic sowie in unseren Anwendungszentren in Deutschland, Nordamerika, China und Indien ausschöpfen. Dabei geht es oft auch darum, zusammen mit unseren Kunden Anwendungen für lokale Konsumenten zu entwickeln. Die Geschmäcker sind regional sehr verschieden. Deshalb steht der Lebensmitteltechnologe im Vordergrund, nicht der Maschinenbauer.
Ist für Bühler ein Börsengang eine Option?
Das ist ein Entscheid unserer Eigentümerfamilie. Es gilt aber weiterhin aus Sicht der Familie und des Verwaltungsrats: Ein Börsengang ist nicht geplant.
Der Handelskrieg der USA mit China dauert an, zudem gibt es weitere geopolitische Verwerfungen. Belastet das Bühlers Geschäftsgang?
Vom Grundsatz her führt das zu Verunsicherung und zu weniger Berechenbarkeit in den Märkten. Und die Märkte mögen das nicht. Die Folge ist: Kunden warten mit Investitionen und so mit Bestellungen ab. Wir spüren das vor allem bei unseren Druckgussanlagen für die Autoindustrie, zumal in China die Autoproduktion sinkt. Dagegen läuft unser Geschäft mit Anlagen für die Nahrungsmittelindustrie weiterhin gut.
Nach 20 Monaten Bauzeit und Investitionen von über 50 Millionen Franken hat Bühler am Mittwoch den Innovationscampus Cubic eröffnet. Dieser ist für 300 Personen ausgelegt und beherbergt acht Anwendungszentren. In diesen wird an Elektrodenpasten zur Herstellung von Lithium-Ionen-Batterien für Elektroautos getüftelt. Oder an Druckgusstechniken für Applikationen in der Elektromobilität. Oder am Nassmahlen und Dispergieren von Druckfarben. Weitere Anwendungszentren beschäftigen sich mit Pasta, Kaffee, Getreidevermahlung, Kakaoprodukten, Backwaren und Fleischalternativen.
An der Eröffnung zugegen war neben 300 Gästen auch die Eigentümerfamilie Bühler um den früheren Patron Urs Bühler mit seinen drei Töchtern Jeannine, Karin und Maya Bühler. Urs Bühler sagte, «um Schweizer Anlagen weltweit liefern zu können, müssen wir uns differenzieren können». Das bedürfe Innovationen, und dafür müsse man investieren. Jeannine Bühler nannte den Cubic ein starkes Zeichen für die Region und für den Standort Uzwil. In den vergangenen Jahren habe der Konzern viel in seine internationalen Standorte investiert. «Nun wollen wir die Innovationskraft mit der Modernisierung in Uzwil fördern.» Laut Maya Bühler soll «der Erfolg langfristig und nachhaltig» sein. Dazu verknüpft man laut Karin Bühler die Tradition und Werte des Familienunternehmens mit neuster Technologie. Führend und ein Pionier sei Bühler zudem in der Aus- und Weiterbildung. (T. G.)