Unklare Eigentumsverhältnisse der chinesischen HNA bringt deren Expansionsdrang ins Stocken.
«Ich habe die Chinesen als ausgesprochen langfristig orientierte Eigentümer kennen gelernt», sagt Peter Moser, langjähriger Personalchef bei der weltgrössten Kofferträgerfirma Swissport in Zürich. Die Übernahme durch HNA sei ein wohltuendes Kontrastprogramm zu den kurzfristig orientierten Private-Equity-Investoren, findet der Manager, der jetzt für den Textilmaschinenhersteller Saurer und damit erneut für eine chinesische Eigentümerschaft tätig ist. Mosers letzte Erfahrungen liegen neun Monate zurück, seither hat auch bei HNA die Hektik Einzug gehalten.
Die Gesellschaft um den chinesischen Milliardär Chen Feng ist innerhalb von wenigen Jahren von der Airline-Betreiberin auf der chinesischen Ferieninsel Hainan zu einem weltweiten Unternehmenskonglomerat mutiert. Swissport, SR Technics und Gategroup, die drei Servicegesellschaften, welche die ehemalige Swissair vor vielen Jahren aufgebaut hatte, gehören seit Ende 2016 allesamt zur HNA Gruppe. Die 6 Milliarden Franken, welche die Chinesen für den Kauf der drei Betriebe aufgeworfen haben, sind nur ein Bruchteil dessen, was HNA sonst noch gepostet hat. Nicht weniger als 80 «Deals» im Wert von über 40 Milliarden Dollar habe HNA seit Anfang 2015 angekündigt, heisst es in einem Bericht des «Wall Street Journal» vom vergangenen Montag, der den vielsagenden Titel «Ein chinesisches Konglomerat fällt in Ungnade» trägt.
Die hochverschuldete HNA kämpft am internationalen Kapitalmarkt mit einem Glaubwürdigkeitsproblem. Soeben hat die Gesellschaft eine einjährige Anleihe über mindestens 200 Millionen Dollar mit einer Verzinsung von fast 9 Prozent aufgenommen. HNA zahlt damit mehr als Argentinien, das unlängst eine hundertjährige Anleihe für weniger als 8 Prozent aufnehmen konnte.
HNA beschaffte sich mitunter auch Kredite, für die es die oft teuer eingekauften Aktien westlicher Firmen auch bei westlichen Banken als Sicherheit hinterlegen konnte. Dabei gingen die Chinesen offensichtlich so systematisch vor, dass selbst vertragliche Kreditbedingungen, die eine Verpfändung explizit verbieten, übergangen wurden.
Eine entsprechende Transaktion mit Swissport-Aktien musste HNA im Mai auf Verlangen der Gläubigerbanken von Swissport rückgängig machen. Ungeachtet dieser Episode heisst es heute bei Swissport: «Swissport pflegt sehr gute Beziehungen zu seinen Banken und hat im August 2017 erfolgreich seinen Term Loan B refinanziert.» Doch wie es scheint, sind die Geschäftsbedingungen für Firmen aus dem HNA- Universum seit August noch schwieriger geworden. Mitverantwortlich sind dafür offenbar die wenig transparenten Eigentumsverhältnisse des Konzerns. Im September legte Goldman Sachs die Vorbereitungsarbeiten für die Börseneinführung einer HNA-Tochter auf Eis – wegen Bedenken über die unklaren Eigentumsverhältnisse, wie das «Wallstreet Journal» schreibt.
Auf die Frage nach den Auswirkungen der Presseberichte über die intransparente Eigentümerstruktur von HNA gib sich ein Gategroup-Sprecher auf den ersten Blick zwar ganz entspannt: «Gategroup wird operativ eigenständig geführt und verfügt über ein stabiles Geschäftsmodell und eine solide Finanzierung. Die Berichterstattung über HNA hat keinen unmittelbaren Einfluss auf unsere Geschäftstätigkeit.» Doch man beachte das Wort «unmittelbar». Aus dem inneren Kreis einer Schweizer HNA-Tochterfirma tönt es ganz danach, als würden die mittelbaren Auswirkungen die Geschäfte durchaus behindern. Selbst simpelste Transaktionen wie die Eröffnung eines Firmenkontos seien ein bürokratischer Albtraum, sagt ein Insider.
Die Banken verweisen auf die sogenannte «Know-your-customer-Regel», unter der sie verpflichtet sind, bei jedem Geschäft den wirtschaftlich Berechtigten zu kennen. «Die Banken verlangen Dokumente und Registrierungen, die oft kaum beizubringen sind.» Ob die Banken die behördlichen Auflagen nur vorschieben, um sich aus dem Risikogeschäft mit HNA zurückziehen zu können, ist eine Frage, die offen bleiben muss.
Sicher ist, dass das Image des chinesischen Riesen auch schon besser war. Und in der Schweiz könnte es demnächst einen weiteren Dämpfer erleiden. Seit dem 19. September will die Übernahmekommission wissen, ob HNA im Angebotsprospekt an die Gategroup-Aktionäre im Mai 2016 falsche Angaben über ihre Eigentümer gemacht hat. Die Antwort ist seit dem 3. Oktober überfällig. Es wäre keine Überraschung, wenn sie für HNA wenig vorteilhaft ausfallen würde.