Brillenkönig in Turbulenzen

Der weltgrösste Brillenhersteller, die italienische Luxottica, verliert innert weniger Wochen bereits den zweiten Geschäftsführer. Hintergrund der Führungskrise ist ein Streit in der Familie des Firmengründers Leonardo Del Vecchio.

Dominik Straub
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ROM. Der Name Luxottica wird vielen Nichtitalienern nicht viel sagen, die Namen der Produkte hingegen schon: Zum italienischen Brillenhersteller gehören weltberühmte Marken wie Ray Ban, Oakley, Vogue Eyewear, Persol und Alain Mikli. Unter Lizenz produziert Luxottica auch Brillen für Armani, Bulgari, Chanel, DKNY, Prada und andere Luxuslabels. Im vergangenen Jahr erwirtschafte Luxottica mit seinen weltweit 73 400 Angestellten einen Umsatz von 7,3 Mrd. €; der Nettogewinn betrug 545 Mio. €. Der Unternehmensgründer und Luxottica-Patriarch Leonardo Del Vecchio ist mit einem Vermögen von 19 Mrd. $ der zweitreichste Italiener hinter dem Nutella-Produzenten Michele Ferrero.

Börsenhandel ausgesetzt

Bis vor kurzem galt Luxottica als Vorzeigeunternehmen, das sich von dem in Italien sonst vorherrschenden Familienkapitalismus abhob: Dem heute 79jährigen Del Vecchio war es im Gegensatz zu vielen anderen italienischen Patrons gelungen, Familie und Betrieb auseinander zu halten. Die Führung des an den Börsen von New York und Mailand kotierten Unternehmens, an welchem Del Vecchio über seine Delfin-Holding nach wie vor 66,5% der Aktien hält, hatte der Firmengründer schon vor zehn Jahren in die Hände des mit der Familie nicht verbandelten Topmanagers Andrea Guerra gelegt. Unter Guerra hat Luxottica den Umsatz verdoppelt und den Börsenwert verdreifacht – doch vor einigen Wochen kam es zum Zerwürfnis zwischen dem Patron und dem Manager. Guerra wurde von Del Vecchio Anfang September aussortiert.

Es scheint fast, als habe der Patriarch mit dem Rauswurf Guerras die Büchse der Pandora geöffnet – jedenfalls ist seither keine Ruhe mehr eingekehrt bei Luxottica. Am Sonntagabend hat auch Guerras Nachfolger Enrico Cavatorta das Handtuch geworfen – nur wenige Wochen, nachdem er in die Chefetage nachgerückt war. Cavatorta hätte das Unternehmen zusammen mit einem zweiten Manager als Co-Chef führen sollen – doch der zweite Mann ist noch nicht gefunden worden. Die Turbulenzen in der Führung haben gestern zu starken Kursverlusten an der Mailänder Börse geführt; die Luxottica-Aktien mussten zeitweise vom Handel ausgesetzt werden.

Sechs Kinder von drei Frauen

Hintergrund der plötzlichen Führungskrise ist das «komplexe Familienleben» des Patrons, wie der «Corriere della Sera» gestern schrieb. Leonardo Del Vecchio hat sechs Kinder von drei verschiedenen Ehefrauen. Vor einigen Jahren hatte er eine salomonische Lösung gefunden und allen seinen Kindern einen Sechstel der Anteile an der Familienholding Delfin übertragen. Inzwischen aber hat sich Del Vecchio erneut mit seiner zweiten Frau Nicoletta Zampillo verheiratet – und diese fordert nun einen Viertel der Anteile für sich und eine Führungsrolle bei Luxottica für den gemeinsamen Sohn Leonardo Junior. Das bringt die ganze bisherige Aufteilung durcheinander – und die Führung bei Luxottica dazu. Der «Corriere della Sera» mahnte besorgt, Luxottica sei «mehr als eine Familienangelegenheit» – es gehe um eines der ganz wenigen international tätigen und erfolgreichen Unternehmen Italiens.

Vom Waisenkind zum Milliardär

Es wäre in der Tat tragisch, müsste sich Del Vecchio wegen unlösbarer Nachfolgeprobleme von Luxottica zurückziehen. Seine Karriere entspricht der italienischen Variante des amerikanischen Traums: In Apulien als Sohn eines Früchteverkäufers und eines Dienstmädchens geboren, verlor er mit sieben Jahren seinen Vater und kam in ein Mailänder Waisenhaus. Er lernte Medaillengraveur, verlegte sich aber bald auf die Herstellung von Brillengestellen. Mit 20 Jahren macht er sich selbständig, 1961 gründet er in der Nähe von Belluno die Luxottica mit zunächst zehn Angestellten. Erst arbeitet er als Zulieferer für andere, 1971 entwirft er seine erste eigene Kollektion. Dann kamen die grossen Marken und der Sprung über die Grenzen Italiens. Der Rest ist Geschichte: Das bettelarme Waisenkind ist zum Milliardär geworden.