Die Brauerei Schützengarten konnte ihren Absatz erneut steigern. Es half der Trend zu Spezialitätenbieren und alkoholfreiem Bier.
Über Jahre hinweg tranken die Schweizer immer weniger Bier. 2018 zeigte die Kurve wieder in die Höhe. Das war wohl der Hitze und der Fussball-WM zu verdanken. Das zumindest glaubten die Brauereien. Stattdessen nahm der Bierkonsum der Schweiz auch im vergangenen Braujahr noch einmal zu, um ein Prozent auf 4,74 Millionen Hektoliter. «Dabei wurde vor allem zwischen Oktober und April gut verkauft», sagte Reto Preisig, CEO der Brauerei Schützengarten gestern vor den Medien. «Mai und Juni waren auch wegen des Wetters ziemlich schlecht.» Trotzdem verkaufte auch die St.Galler Brauerei im vergangenen Jahr rund 1,2 Prozent mehr Bier als im Vorjahr. Ob damit aber eine Trendwende erreicht ist, darauf will sich Preisig nicht festlegen
Allerdings kann Schützengarten von einigen Trends profitieren, die den Biermarkt in den letzten Jahren prägten. «Bier hatte lange den Ruf eines Männergetränks. Es galt als Durstlöscher statt als Genussmittel», sagte Reto Preisig gestern vor den Medien. Das habe sich definitiv geändert. Verantwortlich dafür seien nicht zuletzt der Boom der Kleinbrauereien und deren Bierspezialitäten. Mehr als 1100 biersteuerpflichtige Brauereien gibt es mittlerweile in der Schweiz. «Das sind alles Botschafter für das Bier.»
«Die allermeisten dieser Brauereien sind in Nischen tätig», sagt Preisig. Trotzdem könnten grössere Brauereien einige Marktanteile an sie verlieren. Schützengarten tut aber viel, um nicht dazuzugehören. «Der Trend zu Qualität spielt uns in die Hände», sagte Verkaufsdirektor Kurt Moor. Mit dem «Slow Brewing»-Zertifikat oder Bierspezialitäten wie dem «India Pale Ale» oder dem dieses Jahr lancierten Jubiläumsbier «Sud 1779» macht die Brauerei den Trend zu Qualität und Spezialitäten mit. Während das Lagerbier immer noch rund 80 Prozent des Schweizer Bieres ausmache, mache es nur 60 Prozent des Absatzes von Schützengarten aus.
Mit der Eröffnung des «Brauwerks» am St.Galler Bahnhof haben die Brauer um den neuen technischen Leiter Richard Reinart eine Spielwiese bekommen. In der hauseigenen Brauerei werden hier Neukreationen ausprobiert. Dazu gehören auch Biere, die in limitierten Mengen in Holzfässern reifen.
Doch Schützengarten schwimmt nicht nur bei den Bierspezialitäten im Trend. Mit dem Grapefruit-Bier bedient Schützengarten gleich zwei Trends: Neben den Spezialitäten gehören sowohl Biermischgetränke wie auch alkoholfreie Biere zu den Kategorien mit steigender Nachfrage.
Lange klagten die Schweizer Brauereien über die steigende Zahl der importierten Bier. Vor allem die Billigbiere bereiteten ihnen Kopfschmerzen. Doch diese Zeit scheint vorbei. Einmal mehr nahmen die Bierimporte ab, wie der Schweizerische Brauerei-Verband gestern mitteilte.
Tranken die Schweizer im Braujahr 2017/2018 noch 1,09 Millionen Hektoliter ausländisches Bier, waren es dieses Jahr rund 40000 Hektoliter weniger. Der Marktanteil der Importbiere sank damit auf 22,2 Prozent am Gesamtmarkt. Dies in einem Bierjahr, in dem der gesamte Absatz zum zweiten Mal in Folge stieg. Pro Kopf blieb der Bierkonsum aber bei rund 55 Litern konstant, wie der Verband feststellt. Zugelegt hatte insbesondere der Absatz alkoholfreier Biere.
Zugenommen hat ausserdem die Anzahl der Brauereien. Ende Oktober 2019 waren bei der Eidgenössischen Zollverwaltung 1115 Biersteuerpflichtige Brauereien registriert. Zwar sind viele von ihnen sehr kleine Betriebe, die für die Inhaber eher Hobby als Beruf sind. Doch wenn sie wachsen, stossen sie schnell an ihre Grenzen. Vor allem ausgebildetes Fachpersonal fehlt. Nur 25 Brauereien sind als Lehrbetriebe zugelassen. Schweizweit absolvieren derzeit nur 35 Jugendliche eine Ausbildung zum Lebensmitteltechnologen im Bereich Bier. Der Verband sei deshalb bemüht, einerseits die Zahl der Ausbildungsplätze zu erhöhen, andererseits auch mehr Jugendliche auf den Beruf des Bierbrauers aufmerksam zu machen.
Die Brauerei Feldschlösschen und Coop wollen dabei nun aktiv helfen. Sie spendeten dem Brauerei-Verband 70000 Franken. Dieser Geldbetrag soll unter anderem auch in die Errichtung einer modernen Lernwerkstatt fliessen. (ken)
Während Schützengarten in den vergangenen Jahren viele neue Biere eingeführt hat, dürfte sich dieses Tempo etwas verlangsamen, sagte Preisig weiter. Nächstes Jahr werde man sich auf einen neuen Auftritt des traditionellen Lagerbiers konzentrieren. Ebenfalls geplant sind Massnahmen, um den Absatz im Detailhandel zu verbessern. Denn während der Verkauf über die Gastronomie und den Getränkehandel gut lief, büsste man im Detailhandel etwas ein. «Wir sind dabei, Massnahmen einzuleiten, die im Frühjahr greifen werden.»
Zufrieden mit dem vergangenen Braujahr ist auch «Appenzeller Bier»-Mitinhaber Karl Locher. Der Absatz der Biere aus Appenzell liege etwas über dem Schnitt, sagt er. Besonders gut liefen Spezialitäten wie der «Brandlöscher» oder das IPA. Ende des Jahres nimmt die Brauerei zudem ein neues Sudhaus in Betrieb.