Verspätete Auslieferung von Zügen: Stadlers Seitenhieb gegen Bombardier

Verspätete Auslieferungen von Schienenfahrzeugen beschädigen den Ruf des Herstellers, und sie sind ein Ärgernis für die Bahnen und deren Fahrgäste. Stadler hält Lieferfristen relativ gut ein, aber immer ist das nicht zu schaffen.

Thomas Griesser Kym
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Endmontage des Hochgeschwindigkeitszugs Giruno für die SBB bei Stadler in Bussnang. (Bild: Gian Ehrenzeller/Keystone)

Endmontage des Hochgeschwindigkeitszugs Giruno für die SBB bei Stadler in Bussnang. (Bild: Gian Ehrenzeller/Keystone)

Vor neun Jahren vergaben die SBB den Auftrag für 59 Doppelstöcker für den Fernverkehr auf der Ost-West-Achse an Bombardier. Bestellvolumen: 1,9 Milliarden Franken. Stadler-Chef Peter Spuhler, der sich ebenfalls um den Auftrag beworben hatte, sprach von einer «schmerzlichen Niederlage», verzichtete aber auf einen Rekurs.

Heute weiss man: Bombardier hat die vereinbarte Lieferfrist um fünf Jahre über­zogen, und die ersten 12 Züge, die im Interregioverkehr im Einsatz sind, fahren mehr schlecht als recht. Pannenanfällige Türen, Ausfall der Heizung, geschlossene Wagen, Verspätung der Züge sind an der Tagesordnung.

Peter Spuhler, Patron von Stadler. (Bild: Andrea Stalder)

Peter Spuhler, Patron von Stadler. (Bild: Andrea Stalder)

Seitenhieb gegen Bombardier

Stadler vermeidet es jeweils tunlichst, Schadenfreude zu zeigen. Dennoch kommt die Sprache immer wieder auf den Konkurrenten. So auch vergangenen Dienstag an der Jahresmedienkonferenz, an dem Spuhler den Börsengang seines Unternehmens ankündigte. Schon in einem Imagevideo, das Spuhler zu Beginn abspielte, wird nach den Erfolgsfaktoren Stadlers bei den Kunden gefragt. Die süffisante Antwort lautet, in eine rhetorisch klingende Frage verpackt, ob es daran liege, dass Stadler Lieferfristen einzuhalten pflege?

Später vergleicht Stadler die Abwicklung eigener Aufträge mit jenen von Konkurrenten. Fazit: Bei Stadler dauert es deutlich kürzer vom Erhalt eines Auftrages bis zur Ablieferung des betriebsbereiten Fahrzeugs. Im Vergleich mit Bombardier wählt Stadler absichtlich nicht den Doppelstöcker für die SBB, sondern den Twindexx-Doppelstöcker für die Deutsche Bahn. Aber auch für dessen Bau brauchte Bombardier deutlich länger als Stadler für seinen Vergleichszug.

Relativ geringe Strafzahlungen und Garantiekosten

Nun lassen sich solche Aufträge nicht immer eins zu eins miteinander vergleichen. Aber Stadler-Finanzchef Raphael Widmer hatte Zahlen parat, mit denen er die von Konzernchef Thomas Ahlburg betonte Termintreue des Unternehmens zu untermauern versuchte. Demnach hat Stadler wegen überzogener Lieferfristen in den vergangenen fünf Jahren weniger als 0,25 Prozent des Nettoumsatzes als Strafzahlungen leisten müssen. Gut drei Viertel der Züge werden pünktlich abgeliefert. Bei 18 Prozent beträgt die Verspätung maximal drei Monate, und länger dauert es bei lediglich 6 Prozent.

Gut im Rennen sieht sich Stadler auch bei Garantiefällen. Für deren Kostenübernahme gibt Stadler laut Widmer 2 Prozent des Nettoumsatzes auf. Stets alles in Butter ist folglich auch bei Stadler nicht. So wurde jüngst bekannt, dass sich die SBB und Stadler in den Haaren liegen wegen Rostschäden an Flirt-Zügen und der Kostenübernahme zur Behebung. Stadler spricht von normaler Korrosion. Zudem soll die Werksgarantie laut Branchenkennern längst abgelaufen sein, und die SBB hätten einen Teil der Schäden wegen unsachgemässer Wartung mitverschuldet.

Offener Schlagabtausch

2013 wiederum ging die Ostdeutsche Eisenbahngesellschaft (Odeg) auf Stadler los. Die Odeg hatte bei der Berliner Stadler-Tochter 16 Doppelstöcker des Typs Kiss bestellt. Die meisten Fahrzeuge wurden mit Verspätung geliefert. Diese betrug bis zu sieben Monate, und die Odeg reklamierte Mängel wie den Ausfall von Klimaanlagen, defekte Toiletten oder nicht funktionierende Türen. Stadler bestätigte «Probleme», machte für diese aber teils auch das Eisenbahnbundesamt mitverantwortlich, weil dieses mitten im Spiel Regeln geändert habe. Dass er mit einem anderen Bahnbauer besser gefahren wäre, glaubte der Odeg-Chef Arnulf Schuchmann indessen nicht – im Gegenteil:

«Im Gegensatz zu anderen Herstellern liefert Stadler Pankow wenigstens die Fahrzeuge und bemüht sich, die Mängel zu beseitigen.»

Auch die Zulassung der 35 Stadler-Flirt für den Meridian der Bayerischen Oberlandbahn (BOB) zwischen München und Rosenheim, Salzburg oder Kufstein wurde durch das Eisenbahnbundesamt erst kurzfristig erteilt. Nach der Betriebsaufnahme Mitte Dezember 2013 wurde deshalb temporär noch mit einem Ersatzkonzept gearbeitet. Dabei setzte die BOB auch Züge der ÖBB sowie Busse ein. Experten sehen als einen wichtigen Grund für Lieferverzögerungen zu kurze Fristen zwischen der Auftragserteilung und der gewünschten Inbetriebnahme.