Apotheker zerpflücken Zur Rose

Der Versand von rezeptfreien Medikamenten durch die Versandapotheke Zur Rose AG öffne dem Missbrauch Tür und Tor, glaubt der Apothekerverband. Zur Rose hält sein Sicherheitssystem hingegen für einzigartig.

Kaspar Enz
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Medikamentenversand: Die Frauenfelder Zur Rose AG versendet neben rezeptpflichtigen Medikamenten seit Anfang Jahr auch solche, die nicht rezeptpflichtig sind. (Bild: keystone/Martin Ruetschi)

Medikamentenversand: Die Frauenfelder Zur Rose AG versendet neben rezeptpflichtigen Medikamenten seit Anfang Jahr auch solche, die nicht rezeptpflichtig sind. (Bild: keystone/Martin Ruetschi)

FRAUENFELD. Die Thurgauer Versandapotheke Zur Rose AG liefert Medikamente per Post. Seit Anfang Jahr kann man übers Internet dort auch Medikamente ohne Rezeptpflicht bestellen. Bereits 15 000 Kunden nutzen diese Dienstleistung, vermeldet das Unternehmen.

Grundsätzliches Verbot

Ein Erfolg, der rechtlich auf wackligen Beinen steht. Das glaubt zumindest die Pharmasuisse. Der Apothekerverband klagte gegen Zur Rose, das Geschäft ist beim Thurgauer Verwaltungsgericht hängig. Pharmasuisse glaubt sich im Recht. Laut dem Heilmittelgesetz ist der Versandhandel mit Medikamenten grundsätzlich verboten, ausser es liegt ein Rezept vor, und die Beratung und Überwachung der Patienten ist sichergestellt – das gilt auch für nicht rezeptpflichtige Medikamente. «Rezeptfrei heisst nicht frei verkäuflich», sagt Pharmasuisse-Generalsekretär Marcel Mesnil. Eine Apotheke sei kein Selbstbedienungsladen – aber mit ihrem Verkauf übers Internet sei Zur Rose genau das. Das Frauenfelder Versandhaus ist anderer Meinung. Wer nicht rezeptpflichtige Medikamente über Zur Rose bestelle, muss zwingend einen Fragebogen zu Gesundheitszustand, Grösse, Alter und andere Medikamente ausfüllen. Aufgrund dessen stellt ein Mediziner ein Rezept aus – oder eben nicht. Ein Apotheker von Zur Rose prüfe das Rezept noch einmal. «Es werden bis zu zehn Prozent der Bestellungen zurückgewiesen», sagt Zur-Rose-CEO Walter Oberhänsli laut einer Mitteilung.

Missbrauch erleichtert

«Das sind Tricks, mit denen Zur Rose das Gesetz umgehen will», sagt Marcel Mesnil. «Das Gesetz sieht die Rezeptpflicht für den Versandhandel vor, damit der Kunde in direkten, persönlichen Kontakt mit einer Fachperson tritt.» Ein Apotheker merke, wenn ein Kunde ein Medikament missbrauchen will oder es nicht richtig einsetzen kann, ist Mesnil überzeugt. «Wir Apotheker sind dafür ausgebildet.» Der Mediziner, der für Zur Rose ein Rezept ausstelle, sehe hingegen nur einen vom Kunden selbst ausgefüllten Fragebogen. Ein Missbrauch der Medikamente werde damit erleichtert.

Keine Angst vor Versand

Laut Zahlen des Pharma-Verbandes Interpharma gingen 2010 86 Millionen Packungen rezeptfreier Medikamente über den Tisch – fast 74 Millionen davon in Apotheken und Drogerien. Die Pharmasuisse fürchte aber nicht um die Marktanteile der Apotheken, sagt Marcel Mesnil. «Seit 1996 machen Versicherungen Werbung dafür, rezeptpflichtige Medikamente beim Versandhandel zu bestellen.» Trotzdem mache der Versand nur vier Prozent des Handels aus. «Wir haben also keine Angst, dass der Versandhandel uns Brot und Butter wegnimmt.» Mesnil zweifelt vielmehr daran, dass sich das Modell von Zur Rose bewähre. Das Versandhaus verspricht tiefe Preise. Aber «rezeptfreie Medikamente braucht man sofort, und sie kosten selten genug, um noch Versandkosten abzudecken», glaubt Mesnil.

Was Mesnil aber nicht versteht ist, dass der Staat aufgrund der Beschwerde der Pharmasuisse den Versandhandel von Zur Rose nicht sofort gestoppt hat. «Wir wehren uns dagegen, dass es ein Gesetz geben soll für Apotheken und eins für Zur Rose», sagt er.