Alles anders in Davos

Schauplatz

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«WEF halt», sagt der Polizist nur, den Blick auf der Strasse, dem ganzen Chaos, und lächelt ein Lächeln, das kein echtes ist. Er steht an der Davoser Promenade, der wichtigsten Verkehrsachse in der Alpenstadt. Und dort geht an diesem Nachmittag, ein paar Stunden nach der Eröffnung des WEF, nur Schritttempo. Und auch das nicht immer.

In Davos kennen sie sich eigentlich aus mit dem Schnee, und mit dem WEF mittlerweile auch. Doch dieses Jahr ist alles ein wenig anders. Das liegt an Donald Trump, dem US-Präsidenten. Bald kommt er im Landwassertal an, und er hat dem WEF zusätzliche Aufmerksamkeit beschert, weil er eben Trump ist. Und das liegt auch am Schnee. Tagelang ist er zuletzt gefallen. Fast mannshoch liegt er jetzt in den Wiesen um Davos. Zerrt an den Ästen der Bäume. Nimmt in der Stadt überall Platz weg, der in diesen WEF-Tagen doch sowieso schon so knapp ist.

Zuletzt hat es 1999 dermassen geschneit. Und so ist es der Schnee, der am Eröffnungstag im Dorf den Takt angibt. Obwohl doch eigentlich, hoch über dem genervten Polizisten, endlich die Sonne wieder ins Tal schaut. Auch der Verkehr auf der Zufahrtsstrasse und den Bahnlinien rollt wieder so, wie er soll. Doch in Davos bleiben manche Strassen den ganzen Tag über Hügellandschaften aus Schnee und Eis. Auf anderen steht der Schneematsch bald knöcheltief. Über diese abenteuerlichen Pisten rumpeln die schwarzen Limousinen mit ihren wichtigen Gästen. Dirigiert von Ordnern in orangen Jacken, die eifrig mit den Armen rudern. Und verflucht von jenen, die mit Baggern und Lastwagen durch Davos kurven, aber kaum vom Fleck kommen. Die Schneeräumung sei in diesem Jahr schwierig wie nie zuvor, sagt Norbert Gruber, Leiter der Technischen Betriebe von Davos. Er ist der Mann, der Ordnung ins Chaos bringen muss. Gruber hat Pflüge und Bagger aus anderen Gemeinden und sogar die Armee an seiner Seite, im Schichtbetrieb sind seine Leute unterwegs. Doch wenn es auf der Strasse kein Durchkommen gibt, bringt alles nichts.

Immerhin müssen sich Gruber und seine Männer nicht auch noch um den Schnee auf den Davoser Dächern kümmern. Der ragt vielerorts bedrohlich über die Dachkanten, und hin und wieder stürzt er auf die Trottoirs an der Promenade. Ein Mann in Anzug und Mantel zuckt zusammen, als plötzlich Schneebrocken auf das Trottoir klatschen, nur ein, zwei Schritte vor ihm. «Das waren bestimmt die Russen», sagt er dann und lacht; er steht neben einem Hauseingang, über dem «House of Russia» geschrieben steht.

Häuser wie jenes der Russen gibt es derzeit viele in Davos. Die Argentinier haben eines und die Ukrainer, dazu zahllose Firmen, Banken etwa oder Tech-Giganten wie Facebook und Google. Das Gesicht der Stadt ist während des WEF ein anderes, gerade an der Promenade. Das liegt nicht nur an den Polizisten und Soldaten, den Sicherheitszonen und Armeehelikoptern. Sondern auch an den Restaurants und Geschäften, die vorübergehend einen neuen Chef bekommen, weil ihr Besitzer sie für die WEF-Tage vermietet hat. Es ist ein weiterer Teil des lukrativen Kuchens, von dem sich auch Hoteliers und Wohnungsbesitzer derzeit ein Stück abschneiden. In der «Chämi Bar» etwa gibt es momentan kein Bier, sondern den indonesischen Pavillon. Und in den Fenstern der Confiserie Schneider, Promenade 68, beste Lage, wirbt ein indischer Bundesstaat mit dem Slogan «India’s most business friendly state» um Investoren. Drinnen wohnt gerade der «Chief Minister» von Andra Pradesh einer Präsentation bei; Filmausschnitte flimmern über eine Videowand. Ausser den hölzernen Sitzbänken an der Wand erinnert nichts daran, wie es sonst in der Confiserie Schneider aussieht. Später tragen die Confiserie-Angestellten in grüner Schürze und weisser Bluse das Essen auf, es gibt Indisches.

Hoch über dem Gewusel von Davos liegen derweil die Skipisten in der Sonne, doch in diesen Tagen zieht dort kaum jemand seine Kurven, verlassen liegen sie da –es ist eben gerade alles anders in den Bündner Bergen.

Dominic Wirth