«Wir haben noch mehr Projekte am Laufen»: Der Zuzug der Firma Wärtsilä mit 135 Arbeitsplätzen nach Frauenfeld soll im Kanton erst ein Anfang sein

Der finnische Schiffsmotorenbauer Wärtsilä verlegt seinen Schweizer Forschungs-, Entwicklungs- und Service-Standort von Winterthur nach Frauenfeld. Damit verbunden ist der Umzug von 135 Arbeitsplätzen. Nach dem Ja des Thurgauer Stimmvolks zum Steuerpaket dürften weitere Ansiedlungen folgen.

Thomas Griesser Kym
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Wärtsilä rüstet unter anderem Containerschiffe wie dieses mit Dieselmotoren aus.

Wärtsilä rüstet unter anderem Containerschiffe wie dieses mit Dieselmotoren aus.

Bild: PD

Vergangenen Dezember kam aus Frauenfeld eine Hiobsbotschaft: Die Metallbaufirma Tuchschmid AG ist in Konkurs, 100 Arbeitsplätze gehen verloren. Nun, zwei Monate später, dringt frohe Kunde aus der Thurgauer Kantonshauptstadt an die Öffentlichkeit: Die Wärtsilä Services Switzerland AG, die in der Forschung, Entwicklung und im Service von Schiffsmotoren aktiv ist, verlegt per kommenden 1. Juli ihren Standort mit 135 Arbeitsplätzen von Winterthur nach Frauenfeld.

Daniel Wessner, Leiter des Thurgauer Amts für Wirtschaft und Arbeit.

Daniel Wessner, Leiter des Thurgauer Amts für Wirtschaft und Arbeit.

Bild: Andrea Stalder

Daniel Wessner, Leiter des Thurgauer Amts für Wirtschaft und Arbeit, bestätigt den bevorstehenden Zuzug der Schweizer Tochter des finnischen Wärtsilä-Konzerns. Und er bestätigt Informationen unserer Zeitung, wonach sich das Unternehmen an der Schlossmühlestrasse 9 direkt an der Murg einmieten wird.

Der neue Standort Frauenfeld ist nahe am alten

Das Gebäude an dieser Adresse gehört der Immobiliengesellschaft Walter Bollag & Co AG. Diese hatte einst grosse Teile des Komplexes an den Kanton vermietet. Nun aber ist der Fabrikationstrakt umgebaut worden, und in diesen wird Wärtsilä einziehen.

Anders Stokholm, Stadtpräsident von Frauenfeld.

Anders Stokholm, Stadtpräsident von Frauenfeld.

Bild: PD

Der Frauenfelder Stadtpräsident Anders Stokholm zeigt sich erfreut über den Zuzug:

«Das ist für den Werkplatz Frauenfeld eine gute Nachricht.»

Gut sei ausserdem, dass die Arbeitsplätze im Grossraum Ostschweiz erhalten blieben. Wessner ergänzt, die geografische Nähe von Frauenfeld zum bisherigen Wärtsilä-Standort Winterthur sei auch gut für die Firma und die Belegschaft:

«Das Unternehmen wird wegen des Umzugs wohl nicht viele Mitarbeitende verlieren.»

Das Projekt ist über Monate gereift

Wie Wessner sagt, gab es einen ersten Kontakt mit Wärtsilä bereits im November 2018. Damals sei das Unternehmen im Beisein eines Mitglieds der finnischen Konzernleitung auf die Thurgauer Wirtschaftsförderung zugekommen mit der Überlegung, seinen Schweizer Standort neu auszurichten und um Hilfe bei der Immobiliensuche zu bekommen. Die Firma habe mehrere Optionen erwogen, darunter auch einen Wechsel an den Standort Zug.

Wärtsilä in Winterthur will sich nicht äussern, sondern verweist auf die Konzernzentrale in Finnland. Ein Fragenkatalog per E-Mail blieb vorerst unbeantwortet. Gegenüber anderen involvierten Parteien hat Wärtsilä auf einen Artikel im «Landboten» verwiesen. Dieser hatte den Umzug als Erster vermeldet, von Wärtsilä aber auch keine näheren Auskünfte erhalten.

Das Ja des Stimmvolks zum Steuerpaket als wichtiger Faktor

Wessner sagt, seinen Informationen zufolge spielte für Wärtsilä die Kostenfrage beim Standortentscheid eine wichtige Rolle. Relevant in diesem Zusammenhang dürfte das Ja des Thurgauer Stimmvolks zum Steuerpaket vom 9. Februar sein. Als Folge wird im Kanton der Gewinnsteuersatz für Unternehmen von 4 auf 2,5 Prozent gesenkt.

Amtsleiter Wessner bestätigt: «Wärtsilä hat für den finalen Standortentscheid unter anderem das Ergebnis der Abstimmung abgewartet.» Und er schiebt hinterher:

«Nach dem Ja zum Steuerpaket bin ich zuversichtlich für den Unternehmensstandort Thurgau. Wir haben noch mehr Projekte am Laufen.»

Winterthur verliert gleich mehrere Betriebe

In dieses Bild passt auch eine Mitteilung der Handelskammer und Arbeitgebervereinigung Winterthur (HAW). Diese äussert sich «sehr besorgt, dass innert 14 Tagen zwei grössere Unternehmen den Wegzug aus Winterthur angekündigt haben». Dies zeige auch, «dass der Kanton Zürich mit seinen hohen Unterneh­menssteuern für Firmen immer mehr an Attraktivität verliert».

Die erwähnte zweite Firma ist die in der Medizintechnik tätige Zimmer Biomet, die mit 140 Stellen von Oberwinterhur nach Zug zügeln will. Ferner hat Ende Januar Rieter angekündigt, seine letzte Spinnmaschinenfabrik in Winterthur zu schliessen.

Ein enttäuschter Stadtpräsident

Der Winterthurer Stadtpräsident Michael Künzle hatte vom Wegzug Wärtsiläs vom «Landboten» erfahren. Auch am Montag gelang es ihm sehr zu seiner Enttäuschung nicht, Kontakt aufzunehmen mit der Firma, um eine Erklärung zu erhalten. «Da bin ich mir anderes gewohnt von den Firmen in Winterthur», sagt Künzle.

Dass man bei den Steuern im Wettbewerb der Kantone «ein Handicap» habe, räumt er ein. Doch was zähle, sei auch «die gesamte Standortqualität», sagt Künzle und verweist auf eine zwei Jahre alte Studie der Credit Suisse, wonach der Kanton Zürich diesbezüglich Rang zwei belege hinter Zug.

Wärtsilä ist die Nummer zwei auf dem Weltmarkt

Der Wärtsilä-Konzern ist im Bau von Dieselmotoren für Hochseeschiffe, darunter die weltgrössten Frachter, auf dem Weltmarkt die Nummer zwei hinter dem Branchenprimus, der deutschen MAN Diesel & Turbo. Seit 1997 ist Wärtsilä auch in der Schweiz aktiv. Damals übernahmen die Finnen die Kontrolle über die Dieselsparte des Sulzer-Konzerns.

Blick auf einen Wärtsilä-Hauptmotor eines Hochseeschiffs.

Blick auf einen Wärtsilä-Hauptmotor eines Hochseeschiffs.

Bild: PD

Inzwischen betreibt die Wärtsilä Services Switzerland AG nur noch Forschung, Entwicklung und Service. Dies, nachdem das Geschäft mit 2-Takt-Schiffsdieselmotoren in die Winterthur Gas & Diesel (WinGD) ausgelagert worden war. Diese gehört seit 2014 der China State Shipbuilding Corporation (CSSC), dem grössten chinesischen Schiffsbauer. Mit WinGD unterhält Wärtsilä einen Wartungsvertrag.

Stabiler Umsatz, eingebrochener Gewinn

Der Wärtsilä-Konzern, der auch im Energiesektor tätig ist, hat vergangenes Jahr mit 19'100 Mitarbeitenden 5,2 Milliarden Euro umgesetzt, geringfügig weniger als im Vorjahr. Das Betriebsergebnis, in den Vorjahren stets deutlich über einer halben Milliarde Euro, brach auf 362 Millionen ein.