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Ein deutscher Neonazi hatte illegal Waffen sowie Munition gelagert. Dass er sich auf Facebook abfällig über eine KZ-Überlebende geäussert hatte, erachtet das Gericht aber nicht als Gesetzesverstoss.
Bei dem Neonazi war es im Rahmen eines deutschen Ermittlungsverfahrens im Frühling 2019 zu einer Hausdurchsuchung in seiner damaligen Wohnung in Rüti im Bezirk Hinwil gekommen. Dabei stiess man per Zufall auf zwei Gewehre und eine Pistole sowie über 2000 Schuss Munition. Alles Dinge, die der Mann nicht hätte besitzen dürfen. Zudem hatte sich der Deutsche Monate später
auf Facebook bagatellisierend über einen Zeitungsbericht über eine Überlebende des Konzentrationslagers Ausschwitz geäussert.
Ende Juni fand am Bezirksgericht Hinwil der Prozess gegen den Mann statt. Das Urteil: Schuldspruch wegen mehrfachen Vergehens gegen das Waffengesetz, Freispruch vom Vorwurf der Rassendiskriminierung. Der 32-Jährige wurde zu einer Freiheitsstrafe von 16 Monaten verurteilt. Es handelt sich dabei um eine bedingte Strafe mit einer langen Probezeit von vier Jahren.
Mehr schmerzen als diese Bewährungsstrafe dürfte den Mann eine weitere Sanktion: Das Bezirksgericht verweist ihn für die nächsten zehn Jahre des Landes. Zudem hat er die Verfahrenskosten von über 14000 Franken zu tragen. Eine recht hohe finanzielle Belastung für den gelernten Koch, der seit mehreren Monaten wieder in seinem Heimatland Deutschland wohnt, arbeitslos ist und von monatlich 750 Euro Hartz-IV-Arbeitslosenentschädigung lebt.
In einer Medienmitteilung zu seinem Urteil schreibt das Bezirksgericht Hinwil, der Erwerb und Besitz der gefährlichen Waffen und der grossen Mengen an Munition führe zu einem Verschulden, das man als «alles andere als leicht» eingestuft habe. Dass es bei der eingeklagten Rassendiskriminierung zu einem Freispruch kam, erklärt das Gericht damit, dass die Kommentierung auf Facebook «sehr unterschiedlich interpretiert werden kann». Da der vorliegende Kommentar als nicht direkt rassistisch betrachtet wurde «und weil das Gesetz nur das ‹gröbliche Verharmlosen› unter Strafe stellt», habe man keinen Schuldspruch fällen können.
Ein Vergehen gegen das Waffengesetz, wie es im Rütner Fall den Hauptanklagepunkt bildete, wurde im vergangenen Jahr von den Staatsanwaltschaften im Kanton Zürich 1261 Mal erfasst. Verstösse gegen dieses nicht einfach durchschaubare Gesetz kommen also regelmässig vor. Sie machen dennoch nur einen kleinen Teil der Arbeit der Strafverfolger aus, die sich primär mit Vermögensdelikten (fast 15000) und Verstössen gegen das Strassenverkehrsgesetz (über 9000) befassen müssen, wie dem Jahresbericht der Zürcher Staatsanwaltschaft zu entnehmen ist. Zudem geht es bei vielen Waffengesetz-Fällen um kleine Ereignisse, beispielsweise das verbotene Tragen eines Schlagrings. (ehi)
Das Urteil entspricht in seiner härtesten Sanktion weitgehend der Forderung des Staatsanwaltes. Er hatte eine zur Hälfte vollziehbare Freiheitsstrafe von 32 Monaten verlangt und vor allem eine Landesverweisung von 14 Jahren – fast das Maximum dessen, was rechtlich möglich ist.
Am Prozess begründete der Staatsanwalt seinen hohen Strafantrag damit, dass im vorliegenden Fall für ihn als Ankläger «das Ausschöpfen des gesetzgeberischen Rahmens eine Pflicht ist». Damit wolle
er bewusst auch andere Menschen abschrecken, «die es mit dem Waffengesetz nicht so genau nehmen». Denn die in Rüti gelagerten Waffen hätten möglicherweise bei «Terror- oder Amoktaten» eingesetzt werden sollen, spekulierte er.
Der Verteidiger hatte einen Freispruch von der Rassendiskriminierung verlangt und für die Verurteilung wegen des Waffenbesitzes eine tiefe, bedingte Geldstrafe von 1000 Franken. Der Anwalt hatte die Staatsanwaltschaft kritisiert, sie sei von Anfang an mit «einer negativen Einstellung» gegen den Deutschen vorgegangen.