Durch die Sperre Fabian Schärs rückt der ehemalige Abwehrchef Johan Djourou wieder in den Fokus.
Als die WM für die Schweiz begann, war er der grosse Verlierer: Johan Djourou. Nach Jahren als Stammspieler, dreimal an einer WM bereits, musste der Genfer plötzlich mit der Rolle als Ersatz vorlieb nehmen. Jetzt ist Djourou wieder da. Jetzt muss er da sein. Weil ihn die Schweiz plötzlich braucht. Bös ausgedrückt ist er nun gegen Schweden der Notnagel in der Innenverteidigung.
Doch damit wird man Djourou nicht gerecht. Der 31-Jährige hat eine Erfahrung auf der internationalen Bühne wie kaum ein anderer Schweizer. Nicht einmal 17-jährig ist er, als er nach London zügelt, um die Fussballwelt mit Arsenal zu erobern. Arsène Wenger persönlich überzeugt ihn davon. Der Vater hat Angst, fragt: «Ist das nicht zu früh? Was, wenn du es nicht schaffst, in welchem Zustand kommst du zurück?» Die Mutter beruhigt: «Lassen wir ihn gehen, es ist eine einmalige Chance. Und es ist Zeit, dass er mit den eigenen Flügeln fliegt.»
Es ist die richtige Entscheidung, Djourou macht eine schöne Karriere. Nach London wird Hamburg seine zweite Heimat. Es ist gewiss nicht die erfolgreichste Adresse des deutschen Fussballs. Aber abgestiegen? Nein, das ist der HSV mit Djourou nie. Erst jetzt, als er weitergezogen ist.
Antalya heisst seine neue Stadt. Antalyaspor der Verein. «Ich habe gespürt, dass ich noch etwas komplett Neues sehen will», sagt Djourou. Er weiss genau, wie viele Menschen über die Türkei denken. «Die erste Assoziation ist immer: Aha, jetzt spielt er bei den Bomben.» Ja, er sagt das wirklich so. Und gibt zu bedenken: «Was ist der Unterschied zwischen Anschlägen in Istanbul, Paris oder Barcelona?»
Sportlich erlebt Djourou ein schwieriges Jahr. Bald einmal verletzt er sich. Verpasst die Barrage gegen Nordirland. Lange ist die Diagnose unpräzis. Erst in der Schweiz erhält er die Gewissheit: Sehnenriss. «Und plötzlich hast du drei Monate Zeit, um über das Leben als Sportler nachzudenken.» Djourou entscheidet sich, fortan vegetarisch zu essen. «Ich kann heute sagen: Ich fühle mich viel besser.»
Und trotzdem enden die Probleme nicht. Djourou wartet noch auf mehrere Monatslöhne. Weshalb ein erneuter Wechsel im Sommer wahrscheinlich ist. Ins Nationalteam ist er mit der Hoffnung eingerückt, dank seiner Erfahrung weiterhin erste Wahl zu sein. Als das Trainingslager beginnt, sagt er: «Manch einer sieht häufig nur meine Fehler. Aber wenn ich dann nicht dabei bin, heisst es schnell: ‹Djourou hat eben gefehlt.› Ich kenne das Spiel.»
Die Entscheidung des Trainers, auf das Duo Schär/Akanji zu setzen, hat er akzeptiert. Jetzt, nach der Achtelfinal-Qualifikation, sagt er: «Jene Akteure, die nicht spielen, tun alles, um bereit zu sein, wenn es sie doch braucht.» Djourou war Teil des Teams, das 2014 nahe am Coup gegen Argentinien dran war. Er war Teil des Teams, das 2016 im Penaltyschiessen gegen Polen verlor. Und er ist bereit, um mit der Schweiz gegen Schweden Geschichte zu schreiben. Der Achtelfinal war das Minimalziel, hat Trainer Vladimir Petkovic gesagt. Und Djourou? «Er ist der Kapitän meines Schiffs. Ich werde bestimmt nichts anderes sagen.»