«Wie ein ganzjähriges Lager»

Heute Freitag zügelt Patrick Scheuchzer vom Elternhaus in Heiterschen in die texanische Kleinstadt Canyon. Dort wird der Leichtathlet vier Jahre studieren und trainieren. Sein Trainer Matthias Gredig war zu Beginn skeptisch.

Raya Badraun
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«Schon ein bisschen ein Schlitzohr»: In Jeans und T-Shirt ist der Leichtathlet Patrick Scheuchzer ein ganz anderer Mensch. (Bild: Reto Martin)

«Schon ein bisschen ein Schlitzohr»: In Jeans und T-Shirt ist der Leichtathlet Patrick Scheuchzer ein ganz anderer Mensch. (Bild: Reto Martin)

LEICHTATHLETIK. Schauplatz Basel. Die Schweizer Meisterschaften sind im vollen Gange. Am Rande der Rundbahn steht Patrick Scheuchzer zusammen mit seinem Trainer Matthias Gredig. Gerade lief der junge Sportler den Vorlauf über 800 Meter. Er plazierte sich auf dem fünften und letzten Rang und verpasste so den Final klar. Was war passiert? «Das sind wir seit 20 Minuten am Diskutieren», sagt Scheuchzer. Die zwei letzten Juli-Wochen verbrachte er im Verbandslager in St. Moritz. «Es könnte am Höhentraining liegen und daran, dass der Wettkampf zu früh danach stattfand», meint Gredig. Es gebe einige Sportler, die mit dem krassen Höhenunterschied zu kämpfen hätten. Beim Rennen lief der 19-Jährige dann von Anfang an verkrampft. «Er wurde einfach nicht spritzig.» Das Nachwuchstalent aus Heiterschen wirkt ernst.

Manchmal ein Schlitzohr

Drei Tage später sitzt ein anderer Scheuchzer im Café Promenade in Frauenfeld. Viele seien ganz erstaunt, wenn sie ihn privat kennen lernen. «Die denken, ich sei immer so seriös. Dabei bin ich sonst schon ein bisschen ein Schlitzohr», sagt er lachend. Die Meisterschaft hat er bereits abgehakt. «Es bringt nichts, wenn man zu lange darüber nachdenkt. Man muss es analysieren und dann abschliessen», meint er. Für ihn war es vorerst der letzte Auftritt auf der Schweizer Leichtathletik-Bühne.

Heute reist er nach Amerika. In Canyon, einer texanischen Kleinstadt mit 12 000 Einwohnern und 7000 Studenten, beginnt er sein Studium in Business Administration mit der Vertiefung Management. Daneben erwarten ihn mindestens sechs Trainings pro Woche. «Es wird wie ein ganzjähriges Trainingslager sein», hofft Scheuchzer. Man studiert, wohnt und trainiert zusammen. Das war auch ein Grund, warum er sich für ein Studium in den USA entschieden hat. In der Schweiz würde er zu viele Stunden im Zug verbringen. Nach Canyon wurde er von einer Agentur vermittelt, die den Kontakt mit dem dortigen Trainer herstellte. «Ich konnte zwischen drei bis vier Unis auswählen.»

Neue Sportanlage in Canyon

Seine Wahl fiel auf Canyon, weil er dort ein Vollstipendium erhielt. Zudem entstand im letzten Herbst auf dem Campus eine neue Sportanlage für 20 Millionen Franken. Mit dem Trainer hat er sich Anfang Juni per Mail in Verbindung gesetzt. Man höre oft, das masslos trainiert werde, sagt Scheuchzer. Auch Gredig war zu Beginn skeptisch: «Ich kenne viele Sportler, die es versucht haben. Bei manchen klappte es, für andere bedeutete es das Ende der Karriere.» Der Trainer solle die Sportler nicht verheizen und nicht an jeden Wettkampf schicken. «Ich glaube, Patrick packt das. Er hat sich intensiv damit auseinandergesetzt.»

Das Mailen hatte einen positiven Nebeneffekt. «Nach einem Monat brauchte ich nur noch halb so lang», sagt Scheuchzer. Neben der sprachlichen Veränderung kommt die sportliche dazu. In den USA beginnt die Saison dann, wenn sie hier endet. Deshalb musste sich Scheuchzer schon während des Sommers auf die im Herbst startende Cross-Country-Saison vorbereitet. Eine weitere Hürde gibt es vor Ort zu meistern: «Ich wurde als Läufer an die Uni geholt. Da zählen nur Resultate. Nun muss ich schauen, dass so bald wie möglich auch das Menschliche stimmt.»