In einer neuen Serie beschäftigt sich tagblatt.ch mit ehemaligen Ostschweizer Sportgrössen. Wie ging das Leben nach ihrer Karriere als Sportprofi weiter? Der heute 54-jährige Rolf Järmann war einer der besten Radprofis. Nun gilt seine Leidenschaft einem Fahrzeug mit vier Rädern.
Wenn es hart auf hart kam in den Velorennen, träumte er vom Liegendschiessen. Aber Rolf Järmanns Weg führte nach der Karriere nicht in einen der zahlreichen Schiessstände im Land. Sondern ans Steuer eines fast dreieinhalb Tonnen schweren Wohnmobils und ans Nordkap und nach Afrika.
Die Leidenschaft fürs Wohnmobilfahren entbrannte aber erst 13 Jahre nach dem Karriereende als Sportprofi. Järmann war 2013 eingeladen, in Lübeck einen Vortrag über die Dopingproblematik zu halten. «Ich war noch nie in Norddeutschland und wollte den Aufenthalt dort mit einer Woche Ferien mit der Familie verbinden. Da bot es sich an, ein Wohnmobil zu mieten», sagt er.
Die Järmanns waren begeistert vom Ausflug im neuen Gefährt und haben seither mehr als 25 Länder bereist und über 100000 Kilometer auf vier Rädern absolviert. «Ich sehe einfach viel mehr als auf dem Velo.» Um die Aussicht aus einer anderen Perspektive zu geniessen, war er auch schon auf dem Mont Ventoux, einem der wichtigsten Berge in der Geschichte der Tour de France.
Weil Järmann ein Perfektionist ist, hat er auch die Lastwagenprüfung abgelegt. Das wäre nicht notwendig gewesen für das Führen eines Wohnmobils, wie er es besitzt, «aber es war eine spannende und lehrreiche Herausforderung».
Für eine Diplomarbeit von Gattin und Pflegefachfrau Anita ermöglichten die Järmanns einem Senior aus dem Altersheim Gärbi in Sevelen eine letzte Reise an dessen Wunschdestination. Die Fahrt führte an den Gardasee. «Ich bin sonst nicht so der soziale Typ. Aber dies war eine grosse Genugtuung für mich», sagt Järmann.
Er ist auch Vorstandsmitglied des Schweizer Camping- und Caravaning-Verbandes und Autor eines viel beachteten Blogs im Internet mit regelmässig 40000 Leserinnen und Lesern. Järmann war schon als Aktiver auf diesem Gebiet ein Pionier. Bereits 1995 verfasste er als weltweit erster Profisportler Tagebucheinträge im Internet.
Das Wohnmobil ist Järmanns Hobby. Auf dem Rennvelo war er in diesem Jahr erst 36 Kilometer unterwegs. Beruflich kümmert er sich vorab um Websites von KMU und Verbänden. Seine Firma heisst italix. Obschon Järmann als Profi einige gute Verträge abschloss, muss er immer noch arbeiten. Als er in Italien zum ersten Mal fünfstellig pro Monat – in Franken – hätte verdienen können, wurde die Lira um 50 Prozent abgewertet.
Järmann ist Einzelunternehmer. Es gab Zeiten, in denen er überlegte, ob er Mitarbeiter einstellen solle. «Aber», sagt er, «als ehemaliger Spitzensportler habe ich einen Nachteil. Ich kann nicht delegieren, denn trainieren musste ich ja auch selber. Der Spitzensportler ist zu hundert Prozent selber verantwortlich für Erfolg und Misserfolg.»
Vielleicht ist es besser, wenn Järmann auch im Beruf auf sich gestellt bleibt. So kann er nach Lust und Laune Wohnmobilfahren. Zuoberst auf der Warteliste stehen Reisen an die Radklassiker Flandern-Rundfahrt und Paris-Roubaix.