Die Formel 1 präsentiert sich vor der Saison im gewohnten Kleid. Die Zeit für Reformen ist auch im zweiten Jahr unter der neuen Führung noch nicht reif. Die Hoffnungen auf Veränderungen beschränken sich deshalb auf das Sportliche.
David Bernold (SDA)
Im Hochgeschwindigkeitsbusiness Formel 1 ist neben den Rennstrecken Schritttempo angesagt. Daran wird sich in absehbarer Zeit nicht allzu viel ändern. Pläne und Vorschläge zur Verbesserung der Rahmenbedingungen gibt es zwar mehrere. Bei der Umsetzung ist aber Geduld gefragt, denn den Gesandten des neuen Besitzers, dem amerikanischen Unternehmen Liberty Media, sind durch bestehende Verträge die Hände gebunden. Die von Bernie Ecclestone übernommenen Altlasten lassen im Moment keine Reformen zu.
Das Concorde Agreement, in dem die Rechte und Pflichten der Teams verankert sind, ist bis ins Jahr 2020 sakrosankt. Als weitere, noch schwerwiegendere Hypothek hat Ecclestone den neuen Machthabern die individuell mit den (einst) grossen Teams abgeschlossenen Zusatzvereinbarungen hinterlassen. Die Zusicherung, mindestens bis 2020 Teilnehmer an der Formel-1-WM zu sein, lassen sich Ferrari, Mercedes, Red Bull, McLaren und Williams seit fünf Jahren mit hohen Boni abgelten. Die Scuderia als grösste Profiteurin darf sich pro Saison über eine ausserordentliche Überweisung von 100 Millionen Dollar freuen. Die zusätzlichen finanziellen Mittel lassen die Schere zwischen den grossen und den kleineren Equipen noch weiter aufgehen und führen zu einer Wettbewerbsverzerrung, die auch dem Sport selber nicht gut bekommt.
Chase Carey, der neue starke Mann in der Formel 1, und seine Leute werden gefordert sein, einen Weg vorzugeben, der allen involvierten Parteien zusagt. Carey weiss selbstredend um die Schwierigkeit der Aufgabe in einem Umfeld, in dem der Eigennutz über das Gemeinwohl gestellt wird. Er wird jedoch zu einer Lösung kommen müssen, denn das Ergebnis der Verhandlungen wird wegweisend sein für die Zukunft der wichtigsten Meisterschaft im Automobilrennsport. Und sie werden für die Qualität des Produktes Formel 1 entscheidend sein. Ausgeglichenheit garantiert spannende Wettkämpfe. Die leistungsmässigen Unterschiede, wie sie seit fast zehn Jahren herrschen und die GP zu Veranstaltungen mit absehbaren Ergebnissen haben werden lassen, müssen ein Ende haben. Andernfalls wird sich Carey schwertun in seinem Ansinnen, die Formel 1 als Premium-Marke aufrechtzuerhalten.
Wie sich die aktuelle Situation an der Spitze präsentiert, steht auch nach den Testfahrten in Montmeló in Katalonien in den Sternen. Vor dem Saisonauftakt am Wochenende in Melbourne sind lediglich Tendenzen auszumachen. Den vergangenen Jahren gemeinsam war auch die Hoffnung, dass sich die Top-Teams leistungsmässig angenähert haben. Die Lage einzuschätzen, fällt auch den Protagonisten schwer. Immerhin sehen sie sich bei Mercedes, Ferrari und auch bei Red Bull wenig überraschend gerüstet. «Unser Auto ist auf jeden Fall besser als im vergangenen Jahr», sagt Titelhalter Lewis Hamilton. Bei den wetterbedingt eingeschränkten Testmöglichkeiten in Montmeló hat sich der neue Mercedes in der Tat als zuverlässiges und schnelles Gefährt erwiesen. Etwas zurückhaltender gibt sich Sebastian Vettel. «Es ist noch zu früh, viel zu sagen. Es gibt noch das eine oder andere Rätsel zu lösen», so der Deutsche und schiebt dann doch noch nach, dass «alles, was wir uns erhofft haben, eingetreten ist». Als «deutlich besseres Auto als den Vorgänger» schätzt Max Verstappen den aktuellen Red Bull ein. Daniel Ricciardo sieht seine Equipe ebenfalls auf Kurs, glaubt aber, dass weitere Verbesserungen notwendig sind, um das Mercedes-Duo dauerhaft herausfordern zu können.
Hinter der Spitze sind Umwälzungen in der Hierarchie möglich. Renault will sich im dritten Jahr nach der Rückkehr als eigenständiges Team als vierte Kraft etablieren und so den nächsten Schritt machen auf dem Weg nach oben. In die gleiche Richtung zielt McLaren. Nach drei durch das Missverständnis mit Motorenlieferant Honda geprägten Jahren hofft der Rennstall wieder auf glorreichere Zeiten. Der Antriebsstrang wird jetzt von Renault zur Verfügung gestellt, Honda ist nunmehr Partner von Toro Rosso. In der zweiten Equipe der Rennorganisation von Red Bull sind sie bislang zufrieden mit dem japanischen Aggregat. Vorab in Bezug auf die Standfestigkeit gab es bei den Tests nichts zu bemängeln.