Philippe Gilbert ist bei der Flandern-Rundfahrt ein Coup gelungen. Nach einer 55 km langen Soloflucht schaffte der Wallone den ersten belgischen Sieg seit 2012.
Sandro Mühlebach, SDA
Bereits 90 km vor dem Ziel an der Kapelmuur verschärfte Philippe Gilbert ein erstes Mal das Tempo. Und zu seiner eigenen Überraschung tat sich im Feld eine Lücke auf. Zwar vermochten sein Teamkollege, der dreifache Flandern-Sieger Tom Boonen, sowie weitere Sieganwärter zu folgen, die beiden Topfavoriten Peter Sagan und Greg van Avermaet aber verpassten den vorentscheidenden Abgang. 45 km später, bei der zweitletzten Passage des berühmten Kwaremont, entledigte sich Gilbert auch der letzten Gegner. Und weil hinter ihm alles drunter und drüber ging, rettete der 34-jährige Weltmeister von 2012 nach 260 km einen Vorsprung von 29 Sekunden ins Ziel nach Oudenaarde. Zweiter wurde van Avermaet, der den Sprint einer dreiköpfigen Verfolgergruppe gewann und damit für einen doppelten Erfolg der Belgier sorgte. Dass Gilbert seine Attacke mit seinem vierten persönlichen Triumph an einem der fünf Radsport-Monumente krönte, lag auch am Pech der Verfolger. Denn die Favoriten fielen bei der Verfolgung einer nach dem andern aus der Entscheidung.
Vorjahressieger Sagan etwa touchierte 18 km vor dem Ziel am Kwaremont eine Werbebande, stürzte und riss unter anderen auch van Avermaet mit sich. Während van Avermaet sofort weiterfuhr, musste Sagan lange auf ein Ersatzrad warten. Aber auch van Avermaet verlor bei dem Missgeschick viel Zeit. Bereits davor hatten Sep Vanmarcke (Sturz) und Boonen (Defekt), der vor fünf Jahren als letzter Einheimischer in der Flandern-Rundfahrt triumphiert hatte, die Segel streichen müssen.
Dass Gilbert dem dreifachen Saisonsieger van Avermaet vor der Sonne stand, dürfte die Verantwortlichen beim Team BMC ärgern. Denn bis zum Ende der letzten Saison war das Duo gemeinsam für die von Andy Rihs alimentierte Mannschaft gefahren. Für die Flandern-Klassiker hatte BMC stets auf den Flamen van Avermaet gesetzt. Doch dieser vermochte nie zu reüssieren; er muss weiter auf seinen ersten Sieg an einem Monument warten. Gilbert dagegen «musste» sich in den letzten fünf Jahren auf die Ardennen-Klassiker konzentrieren. «Mein Ziel ist es, alle Monumente zu gewinnen, jetzt bin ich einen Schritt weiter», sagte Gilbert. Zu diesem Coup, der bisher nur seinen Landsleuten Eddy Merckx, Roger de Vlaeminck und Rik van Looy gelungen ist, fehlen ihm zwei Rennen, Mailand–San Remo und Paris–Roubaix. Die Lombardei-Rundfahrt und Lüttich–Bastogne–Lüttich hat er bereits für sich entscheiden können.