Tennis
Roger Federer sagt vor Rückkehr auf Sand: «Der Schock wird einfahren»

Nach zwei Operationen am Knie, mit bald 40 Jahren und zwei Jahre nach dem Halbfinal in Paris kehrt Roger Federer in Genf auf Sand zurück. Obwohl die Vorfreude gross ist, ist es ein Mittel zum Zweck.

Simon Häring
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Seit knapp zwei Jahren bestreitet Roger Federer in Genf erstmals wieder ein Turnier auf Sand. Doch der Fokus gilt einem anderen Ziel.

Seit knapp zwei Jahren bestreitet Roger Federer in Genf erstmals wieder ein Turnier auf Sand. Doch der Fokus gilt einem anderen Ziel.

Martial Trezzini / KEYSTONE

Seit über einem Jahr befindet sich Roger Federer in einer Endlosschlaufe aus Rehabilitation, Aufbau, Rückschlag, Ungewissheit und Rückkehr. Und immer mit der Frage konfrontiert, die über allem schwebt: Schaffe ich es noch einmal dorthin, wo ich mich selber sehe, an die Weltspitze?

Federer sagt: «Es gibt überall Fragezeichen, das ist klar nach einer langen Verletzungspause.» Sein Massstab seien für einmal nicht Rafael Nadal und Novak Djokovic, «nicht jetzt», wie er nachschiebt. Im Training fühle er sich gut, was er nun brauche, seien möglichst viele Spiele. «Erst dann kann ich Antworten geben.» In Doha, wo er Mitte März nach zwei Operationen am Knie und nach über 400 Tagen Pause erstmals wieder bei einem Turnier angetreten war, dominierten die Emotionen, auch die Genugtuung, es mit bald 40 Jahren überhaupt wieder auf den Tennisplatz geschafft zu haben. Das war alles andere als selbstverständlich. Und bedeutete Federer viel.

Die Rückkehr im März in Doha war für Federer eine emotionale Angelegenheit, vielleicht auch eine Genugtuung.

Die Rückkehr im März in Doha war für Federer eine emotionale Angelegenheit, vielleicht auch eine Genugtuung.

Samer Alrejjal / QATAR OPEN/BEIN SPORTS

Vier Turniere, zwei Monate, ein Ziel

Federer spielte in Katar, obwohl er weit von seiner Bestform entfernt war. «Ich stand ganz am Anfang einer Bergtour, bei der ich nicht wusste, ob ich den Berg hochkomme», sagt er. «Ausdauer, Spritzigkeit, Beweglichkeit – es fehlte an allem. Ausser am Tennis. Das wusste ich schon im Vorfeld.» Doch er wollte wissen, wie der Körper reagiert. Und er wusste, dass jeder weitere Tag, an dem er dem Turnierzirkus fern bleibt, ein verlorener sein würde. «Denn eines ist sicher: Die nächste Generation mit Zverev, Rublew, Tsitsipas, Medwedew und Thiem wird immer besser. Es wird für mich eine grosse Herausforderung, ein Niveau zu erreichen, um mitzuhalten.»

Nun steht Federer vor den zwei wichtigsten Monaten im vielleicht letzten Jahr seiner Karriere. Und selten zuvor hat er dabei den Fokus so klar auf nur ein Ziel gelegt: Wimbledon. Kein Turnier, kein Ort hat seine Karriere und sein Leben so sehr geprägt. Und es ist der Traum vom neunten Sieg, der ihn dazu bewogen hat, seine Karriere fortzusetzen und alle Mühen auf sich zu nehmen, die Verletzungspausen mit sich bringen. Federer sagt: «Wenn ich auf Sand ein paar Matches gewinnen kann, hier in Genf und danach in Paris, wäre ich froh. Meine Ziele sind sehr überschaubar. Auf Rasen ist die Erwartungshaltung viel grösser, es ist alles viel wichtiger.»

Antrieb für die Rückkehr auf den Tennisplatz ist für Roger Federer der Traum, noch einmal in Wimbledon um den Titel spielen zu können.

Antrieb für die Rückkehr auf den Tennisplatz ist für Roger Federer der Traum, noch einmal in Wimbledon um den Titel spielen zu können.

Peter Klaunzer / EPA/KEYSTONE

French Open «Teil der Vorbereitung»

Die Verschiebung der French Open um eine Woche auf Ende Mai habe ihm neue Möglichkeiten eröffnet, um Spielpraxis zu sammeln. Und auch wenn Federer sagt, er hoffe, dort auf einem grossen Platz nur schwer zu schlagen sein, so macht er keinen Hehl daraus, dass sein Ansporn ein anderer ist. Er sagt: «Es mag komisch klingen, dass ich die French Open als Vorbereitung für den Rasen nenne, aber es ist nun mal so. Ich würde gerne sagen, Paris sei das ultimative Ziel, aber dafür bin ich nicht bereit. Es wäre auch vermessen, zu sagen, dort sei nach so langer Zeit alles möglich für mich. Das ist nicht der Fall.» Für seine Anhänger in Paris mag das wie ein Stich ins Herz klingen, doch es ist vor allem eines: ehrlich.

In Genf gehe es für ihn darum, den Rhythmus zu finden und zu sehen, wie der Körper reagiert. Die letzten Woche habe er trotz kühler Temperaturen in der Schweiz trainiert, was ungewohnt gewesen sei. «Denn bei 8 Grad und Nieselregen ist es nicht mehr lustig. Da kannst du eigentlich gar nicht mehr richtig Tennis spielen. Es ist kalt, die Bälle sind so hart, alles ist nass, es ist schmierig am Boden.» Umso wichtiger sei es, sich gut aufzuwärmen. Der Körper habe gut reagiert. «Entweder, du bist fit und bereit, oder du bist es nicht. Aber klar: Der Schock eines Matches wird immer einfahren. Weil der Stress höher sein wird.» Zuversicht schöpft er auch aus den letzten Wochen. «Ich habe viel und hart trainiert. Ich weiss, dass ich bereit bin.»

Am Montag beantwortete Federer die Fragen aus aller Welt.

Am Montag beantwortete Federer die Fragen aus aller Welt.

GENEVA OPEN

Eine Premiere für Federer in Genf

Mit Genf verbinden Federer viele schöne Erinnerungen: der Sieg im Laver Cup 2019, zahlreiche Erfolge im Davis Cup, unter anderem 2014 auf dem Weg zum Triumph im Viertelfinal gegen Kasachstan und im Halbfinal gegen Italien in der Palexpo-Halle. «Das sind viele tolle Wochenenden. Schon als kleiner Bub, mit 14, 15 Jahren war ich einmal mit meinen Eltern hier, als die Schweiz im Davis Cup gegen Deutschland gespielt hat.» Dass er in Genf antritt, im Tennis Club de Genève im Parc des Eaux-Vives, ist für ihn eine Premiere. «Deshalb freue ich mich riesig. Auch wenn es schade ist, dass nur hundert Zuschauer kommen können. Ich bin gespannt auf die Atmosphäre. Die hundert Leute müssen alles geben. Es wird heimelig.»

Eine Atmosphäre, die er möglichst lange auskosten will. Nicht unbedingt, weil er vielleicht insgeheim doch darauf hofft, um den Titel mitspielen zu können. «Sondern weil ich überzeugt bin, dass mir das für die Rasensaison helfen wird.» Federer sagt: «Wenn ich gesund bin und zu spielen komme, dann wird das meinem Selbstvertrauen helfen. Dann glaube ich, werde ich wieder zu den Besten gehören.» Auf Rasen. In Wimbledon.