RADSPORT: Der Armut davongefahren

Ferdy Kübler ist am Donnerstag im Alter von 97 Jahren verstorben. Das Radrennfahren war für ihn ein Weg, der bitteren Armut zu entfliehen, in welcher er aufgewachsen war. Unvergessen bleiben werden seine grossen Duelle mit Hugo Koblet.

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Im Jahr 2007 durfte sich Ferdy Kübler in Adliswil über einen nach ihm benannten Gehweg freuen. Nun ist Kübler im Alter von 97 Jahren gestorben. (Bild: STEFFEN SCHMIDT (KEYSTONE))

Im Jahr 2007 durfte sich Ferdy Kübler in Adliswil über einen nach ihm benannten Gehweg freuen. Nun ist Kübler im Alter von 97 Jahren gestorben. (Bild: STEFFEN SCHMIDT (KEYSTONE))

Am Donnerstag, 29. Dezember 2016, um 14 Uhr starb Kübler in Anwesenheit seiner Frau Christina in einem Zürcher Spital. "Er sagte mir noch: Christina, du bist die beste Frau der Welt", sagte die Witwe am Freitag zur "Schweizer Illustrierten". Weihnachten haben die beiden noch daheim verbracht, danach musste Kübler wegen einer schweren Erkältung ins Spital eingeliefert werden. "Ferdy ist friedlich eingeschlafen, mit einem Lächeln im Gesicht", sagte Christina Kübler.

Ferdy Küber, der Sieger der zweiten Hälfte der 3. Etappe der 12. Tour de Suisse, am 14. Juni 1948 von La-Chaux-de-Fonds nach Thun, posiert am Ziel mit einem Mädchen in Tracht. (Bild: Keystone)
21 Bilder
Ferdy Kübler in Mailand beim Start zum Giro d'Italia am 19. Mai 1951. (Bild: Keystone)
1950 der Gesamtsieg an der Tour de France (Bild: Keystone)
1951 Strassenweltmeister (Bild: Keystone)
Ferdy Kübler pflegt am 19. Juli 1954 an der Tour de France seinen Teamkollegen Hugo Koblet. (Bild: Keystone)
Ferdy Kübler liest in einer Sport-Zeitung, aufgenommen am 21. Juni 1949 während der Tour de France. (Bild: Keystone)
Ferdy Kübler (links) führt bei der ersten Halbetappe der Tour de Romandie von Freiburg nach Vevey vor Martin Metzger am 3. Mai 1951. (Bild: Keystone)
Hugo Koblet (links) und Ferdy Kübler prüfen im März 1956 am Sechs-Tagerennen im Hallenstadion in Zürich ihre Ersatzvelos. (Bild: Keystone)
Ferdy Kübler schreibt sich in Le Locle vor dem Start zur 1. Etappe der Tour de Romandie ein (13. Mai 1954). (Bild: Keystone)
Ferdy Kübler gewinnt am 5. August 1950 das Zeitfahren der Tour de France von Saint Etienne nach Lyon. (Bild: Keystone)
Ferdy Kübler 1947 in Aktion bei der Meisterschaft von Zürich. (Bild: Keystone)
Ferdy Kübler 2007 (Bild: Archiv LZ)
Ferdy Kübler in einem Porträt 1999. (Bild: Keystone)
Im Sommer 1965 schenkte Ferdy Kübler tibetischen Flüchtlingen in der Schweiz Velos. (Bild: Keystone)
Ferdy Kübler posiert mit einem ihm gewidmeten Buch. (Bild: Keystone)
Ferdy Kuebler, Swiss cycling legend, photographed on June 9, 1999 in Birmensdorf. Kuebler died on Thursday 29 December 2016 at the age of 97 years. Kuebler's most successful years in international racing were 1950ñ1952. He won the La Fleche Wallonne and LiegeñBastogneñLiege, both in 1951 and 1952. He was also World Road Race Champion in 1951, having placed second in 1949 and third in 1950. He rode the Giro d'Italia from 1950ñ1952, placing fourth once, and third twice. In the 1950 Tour, he benefited from the absence of Fausto Coppi, sidelined after a crash in the Giro. Overcoming Gino Bartali, Kuebler became champion by over nine minutes, also winning three stages. In the 1954 Tour, Kuebler won the points jersey and came second behind Louison Bobet.(KEYSTONE/Martin Ruetschi) (Bild: Keystone)
Ferdy Kübler macht sich im Leadertrikot schön für die Siegerehrung an der Tour de Romandie am 3. Mai 1951 in Fully. (Bild: Keystone)
Lifetime-Awardgewinner Ferdy Kübler (links) mit seinem Laudator, Fifa-Präsident Sepp Blatter im Jahr 2009. (Bild: Archiv LZ)
Symbolischer Abschlag: 90 Golfbälle - und einer fürs neue Lebensjahr: Geburtstagskind Ferdy Kübler mit seiner Ehefrau Christina und Unternehmer Hans Leutenegger 2009. (Bild: Archiv LZ)
Ferdy Kübler in einer undatierten Aufnahme. (Bild: Keystone)
Ferdy Kübler in einer undatierten Aufnahme. (Bild: Keystone)

Ferdy Küber, der Sieger der zweiten Hälfte der 3. Etappe der 12. Tour de Suisse, am 14. Juni 1948 von La-Chaux-de-Fonds nach Thun, posiert am Ziel mit einem Mädchen in Tracht. (Bild: Keystone)

Kübler gewann 1950 als erster Schweizer die Tour de France. 1951 eroberte er in Varese den Strassen-WM-Titel. "Quäle deinen Körper, sonst quält er dich." Diesen Satz sprach er nach seinen vielen legendären Rennen immer wieder in die Mikrofone.

In den letzten Jahren machten Kübler zusehends gesundheitliche Beschwerden zu schaffen, er konnte sein Bett kaum mehr verlassen. "Wir können nicht einmal mehr zusammen spazieren gehen, ihm fehlt die Kraft dazu", sagte Christina Kübler vor zwei Monaten in einem Interview mit der "Schweiz am Sonntag".

2008 war ausgekommen, dass sich Kübler wegen Hautkrebs 18 Mal im Zürcher Triemlispital hatte bestrahlen lassen müssen. "Am Anfang hatte man dies leider etwas unterschätzt und zu spät behandelt", erklärte Christina Kübler. "Ferdy war in seinem Leben gerne und sehr viel an der prallen Sonne."

Seinem Alters-Hobby, dem Golfen, frönte Kübler noch so lange, wie die Kraft reichte, um sich im Golfkart von Abschlag zu Abschlag fahren zu lassen. Zum Golfen war der Zürcher vor mehr als 25 Jahren gekommen, nachdem für ihn das Velofahren wegen der grossen Verkehrsdichte zu gefährlich geworden war und ihn der ehemalige Bob-Olympiasieger und Unternehmer Hausi Leutenegger mit Nachdruck für das neue Hobby zu begeistern verstanden hatte. Nicht zuletzt dank dem Golfspiel blieb Ferdy Kübler ein grosser Freundeskreis erhalten, der nun in grosser Trauer von ihm Abschied nimmt.

Auf Schweizer Verhältnisse übertragen, ist Ferdy Kübler die Karriere vom Tellerwäscher zum Millionär gelungen. Er wuchs in ärmlichsten Verhältnissen auf und hatte das grosse Ziel, dieser Armut zu entfliehen. "Vom lieben Gott hatte ich den Willen bekommen, etwas zu tun, in dem ich besser war als alle anderen. Der Tour-de-France-Sieg und der WM-Titel waren für mich wie eine Erlösung. Jetzt war ich aus dem Dreck heraus", hielt Kübler in einem Interview zu seinem 90. Geburtstag fest.

Der Ausläufer einer Bäckerei und eines Uhrengeschäftes arbeitete sich kontinuierlich nach oben. Der Zweite Weltkrieg verhinderte, dass Küblers Karriere schon zu Beginn seines Profidebüts 1940 steil anstieg. Die Rivalität mit Hugo Koblet führte zu den grössten Erfolgen und einer riesigen Radsport-Euphorie in der Schweiz. Jeder wollte den anderen übertrumpfen. Die Leistungen von Kübler und Koblet in den "goldenen K+K-Zeiten" fesselten fast die ganze Schweiz vor den Radiogeräten. Vergleichbares zu Kübler und Koblet gab es im Ausland nur noch in Italien durch Fausto Coppi und Gino Bartali oder in Frankreich durch Jacques Anquetil und Raymond Poulidor.

Der Wille war Ferdy Küblers grösste Triebfeder. Oft stand ihm sein Dickschädel aber auch im Weg. Etwa dann, wenn Kübler den Erfolg mit der Brechstange suchte und letztlich kläglich einging. Die Bilder vom Radprofi in Tränen der Enttäuschung - nach einer Niederlage oder weil er durch Defekte zurückgeworfen wurde - machten die Runde und trugen zum Bekanntheitsgrad bei. In 20 Jahren bestritt Kübler knapp 2000 Rennen auf der Strasse, der Bahn oder im Gelände. Sein Katzenbuckel beim Spurt waren ebenso legendär wie seine trockenen Sprüche. (sda)