Nadine Fähndrich hat die Sprint-Angst überwunden

Wenn heute in den Sprints die ersten WM-Medaillen vergeben werden, sind auch die Schweizerinnen Nadine Fähndrich und Laurien van der Graaff am Start. Doch nur Erstere fühlt sich derzeit rundum wohl.

Ralf Streule, Seefeld
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«Die Arbeit ist gemacht, jetzt geht es nur noch darum, die Karten auf den Tisch zu legen.» Dieser Satz fällt früh an der Langlauf-Pressekonferenz mit den Schweizer Sprinterinnen und Sprintern, und er fällt gleich mehrmals. In den letzten Tagen vor dem Wettkampf geht es nur noch darum, keine Fehler zu ­machen, sich nicht zu erkälten – und die richtige Dosis an Bewegung zu finden. Die intensivsten Einheiten liegen drei Wochen zurück, wie es sich gehört vor einer WM. Auch bei der Suche des Teamhotels scheinen die Schweizer keine Fehler gemacht zu ­haben, das «Karwendel» liegt ­etwas abseits vom WM-Trubel in Leutasch, die Loipe ist vom Hotel-Hinterausgang in drei Schritten erreicht. Und die Residenz nennt sich «Anti-Stress-­Resort».

Podestplatz von Cogne bringt Ruhe in die WM-Vorbereitung

Stressfrei zumindest wirkt Nadine Fähndrich. Ihr erster Podestplatz vor einer Woche im italienischen Cogne über 10 km hat ihr Selbstvertrauen gegeben, auch wenn die starken Norwegerinnen nicht am Start waren. «Ich wäre derzeit nervöser ohne jenen zweiten Platz», sagt die 23-Jährige. Und auch wenn die Allrounderin den Spitzenplatz in einer Mitteldistanz gewonnen hat, sagt sie: «Im Sprint erwarte ich mir an der WM etwas mehr als in den anderen Rennen.» Heute im Sprint gilt sie als Anwärterin zumindest auf einen Platz im Halbfinal. Trainer Peter von Allmen traut ihr sogar noch mehr zu. Zumal in ihrer Lieblingsdisziplin Skating gelaufen wird und ihr die Strecke mit leicht ansteigender Zielgerade liege. Auch der Formaufbau stimme. Nachdem Fähndrich im Oktober eine Gehirnerschütterung erlitten hatte, startete sie defensiv in die Saison, die Resultate verbesserten sich in der Folge kontinuierlich.

Nadine Fähndrich im Einsatz im Weltcupsprint in Lahti. (Bild: Markku Ojala/EPA, 9. Februar 2019)

Nadine Fähndrich im Einsatz im Weltcupsprint in Lahti. (Bild: Markku Ojala/EPA, 9. Februar 2019)

Bleibt im Sprint eigentlich nur noch das nötige Glück – und die Intuition für die Rennsituation. Tatsächlich ist es das Mentale, das die Luzernerin in dieser Saison plötzlich zur Top-Ten-Läuferin im Skatingsprint werden liess. Vor zwei Jahren noch bezeichnete sie sich als «zu nett» für die «Ellbögler-Disziplin» Sprint. Regelrecht Angst habe sie vor Viertelfinals gehabt. «Nun, mit etwas mehr Erfahrung, freue ich mich auf jedes Rennen.» Von Allmen spricht davon, dass Fähndrich endlich «das Limit ausgelotet» und auch einmal Strafen riskiert habe. Und er spricht vor allem ihr Alter an. Noch bleibt Fähndrich viel Zeit, weitere Sprinterfahrungen zu sammeln. Verbesserungspotenzial sieht von Allmen im Zielsprint. «Der Kopf will oft mehr, als die Beine bereit sind zu tun.» Was zuweilen zu einem Stolperer führen kann.

Laurien van der Graaffs letzte WM?

Auf der anderen Seite der Gefühlsskala lag bis vor kurzem die Bündner Sprinterin Laurien van der Graaff. Die 31-Jährige gewann zwar vor einem Jahr zwei Weltcup-Rennen, kam seit den Olympischen Spielen aber nicht mehr auf Touren. Sie spricht von einem Übertraining im Spätsommer und von einer Erkältung nach der Tour de Ski. Erst vor zehn Tagen stieg sie wieder in den Weltcup ein, zeigte mit zwei zehnten Plätzen in Lahti und Cogne Aufwärtstendenz. Was sie zuversichtlich macht für die WM – und angriffig. «Natürlich will ich eine Medaille», sagt die Bündnerin. Zumal es für sie der letzte Grossanlass sein könnte, wie sie selber sagt. Van der Graaff trainiert seit sechs Jahren nicht mehr mit dem Team von Swiss Ski – ihr Lebenspartner Andreas Waldmeier, ehemaliger Langläufer, hat die Rolle des Trainers übernommen. Trainings zusammen mit Fähndrich sind deshalb selten. Wäre ein solches nicht befruchtend? «Wir können niemandem das Trainingsteam vorschreiben», so von Allmen. Am Sonntag im Teamsprint stehen die beiden jedenfalls zusammen im Teamsprint im Einsatz. Und auch da winkt eine kleine Medaillenchance. Auch wenn dann die klassische Technik angesagt ist.