Was hätte die Liga tun können, um den «Fall FC Wil» zu verhindern? Nicht viel, sagt deren Präsident Heinrich Schifferle. Dass ein ausländischer Investor in Wil sein Glück nicht findet, überrascht ihn aber nicht.
Ralf Streule
Der FC Wil kämpft weiter ums Überleben. Nach dem Abgang der türkischen Investoren im Januar ist auch die Swiss Football League (SFL) wieder in die Kritik geraten. Die Sicherheitsmechanismen der Liga konnten zum wiederholten Mal nicht verhindern, dass ein Club finanziell ins Schlingern kommt. Sind die Regeln für Investoren bei den Lizenzvergaben zu wenig griffig? Ligapräsident Heinrich Schifferle nimmt Stellung.
Heinrich Schifferle, nach dem Rückzug der türkischen Investoren in Wil sagten viele: «Wir wussten es von Anfang an.» Dachten Sie das auch?
Sagen wir es so: Es kam für mich nicht ganz unerwartet. Ich hätte aber erst später damit gerechnet. Ich dachte, zumindest auf zwei, drei Jahre sei das Projekt ausgelegt. Und ich rechnete mit einem geordneten Rückzug. Aber das war ja definitiv nicht der Fall.
Weshalb gingen Sie davon aus, dass das Engagement von Mehmet Nazif Günal nicht von Dauer sein würde?
Von aussen betrachtet musste man doch von Beginn weg sagen: In den FC Wil zu investieren, konnte kein Geschäftsmodell sein, das über Jahre funktioniert. Das ist doch eher ein Modell, das man als Investor einfach aufs Geratewohl einmal ausprobiert.
Wenn ein ausländischer Investor bei einem Club wie den Young Boys einsteigen würde, gäben Sie ihm eine grössere Chance?
Bei einem Schweizer Spitzenclub, der regelmässig europäisch spielt, der eine grosse Fangemeinde und ein grosses Einzugsgebiet hat, stünden die Chancen wohl etwas besser. Der FC Wil ist vielleicht etwas zu klein dafür. Grundsätzlich aber ist für mich der ideale Investor weiterhin der lokal verankerte Unternehmer.
Wenn Sie als Ligapräsident aber sagen, der Rückzug sei grundsätzlich nicht unerwartet, muss die Frage erlaubt sein: Warum hat die SFL ein offenbar von Beginn weg unsicheres Engagement nicht zu verhindern gewusst?
Was man sagen muss: Die Liga hat vom Aktienübertrag erst erfahren, als er bereits aufgegleist worden war. Im darauffolgenden kleinen Lizenzierungsverfahren wurde der Investor aber als vertrauenswürdig beurteilt.
Dem Vernehmen nach war nur ein Darlehensvertrag bei der Liga hinterlegt. Das Papier wurde wertlos, nachdem Mehmet Nazif Günal die Aktien an eine illiquide Drittgesellschaft in Dubai weiterverkauft hat. Eine Bankgarantie wäre bindender.
Wir hatten zu dem Zeitpunkt keine reglementarische Handhabe, um mehr zu machen. Die neue Regelung, dass ein Investor einen Drittel der für den Spielbetrieb nötigen Mittel per Bankgarantie hinterlegen muss, kam erst 2016 dazu, nach dem Fall FC Biel.
Die Bankgarantie muss auch heute noch nur vorgelegt werden, wenn ein Investor während der Saison einsteigt. Für kommende Saisons dann nicht mehr. Das müsste doch griffiger gehandhabt werden.
Wenn man das tun will, müsste man die Regelung flächendeckend innerhalb der Challenge und Super League einführen. Wenn Sie von allen Clubs verlangen, einen grossen Betrag als Bankgarantie sicherzustellen Anfang Saison, wären viele finanziell überfordert.
Müsste man die Regelung denn flächendeckend einsetzen? Könnte man nicht ausländische Investoren in den ersten Jahren reglementarisch stärker in die Verantwortung nehmen?
Die Frage wäre: Ist das nicht diskriminierend? Verletzt es nicht das Wettbewerbsrecht? Sicher ist: Wenn Eigentümer nicht in der Region verankert sind, muss man bei der Lizenzvergabe sorgfältiger sein. Das sind wir. Die Lizenzkommission prüft die Unterlagen und entscheidet, ob es zusätzliche Sicherheiten braucht. Das ist heute schon vernünftig geregelt.
Der Integritätscheck ist ein weiteres Mittel, das die Liga bei Clubübernahmen eingeführt hat. Ist es ein taugliches Mittel? Investor Günal hätte den Check wohl bestanden.
Davon gehe ich auch aus, ja. Der Check ist keine Garantie, aber er kann Hinweise geben über die Vertrauenswürdigkeit eines Investors. Grundsätzlich aber gehen wir nach den Vorkommnissen in Wil sicher nicht zur Tagesordnung über. Es kann sein, dass nach einer Analyse Reglemente angepasst werden.
Sie sagten, dass Sie vom Aktienverkauf des FC Wil im Sommer 2015 erst im Nachhinein erfuhren. Die Liga muss doch vorgängig über Besitzerwechsel informiert werden.
Stimmt. Die Verträge mit dem türkischen Investor waren schon aufgegleist, ohne dass wir davon erfahren hätten. Der definitive Übertrag wurde dann aber der Liga reglementsgetreu kommuniziert.
Wil-Präsident Roger Bigger ist Finanzchef der Liga. Hätten Sie nicht erwartet, dass er die Liga vorgängig informiert?
Es hätte sich meiner Meinung nach gehört, ja.
Ist seither nicht ein gewisser Vertrauensbruch da?
Nein, die Sache ist ausdiskutiert. Roger Bigger hat sein Amt vorher wie nachher umsichtig ausgeführt.
Derzeit fällt die Liga viele Entscheide im Zusammenhang mit dem FC Wil. Ist es nicht heikel, wenn Roger Bigger im Gremium sitzt?
Er könnte als Mitglied des Komitees in den Ausstand treten, bis die Sache erledigt ist. Er ist aber aktuell weiterhin Mitglied. Ob er einen Ausstandsgrund sieht oder nicht, muss er selber entscheiden. Selbstverständlich ist: Wenn im Komitee ein Geschäft zum FC Wil behandelt wird, redet er nicht mit. Und Lizenzentscheide werden ohnehin von unabhängigen Gremien gefällt.
Was hätten Sie Herrn Bigger geraten, wenn Sie vom Ansinnen des FC Wil früher erfahren hätten?
Ich hätte gesagt: Ich bin skeptisch. Aber der Investor hat eine Chance verdient.
Das würden Sie auch sagen, wenn morgen ein weiterer Club ähnliche Ideen hätte?
Ich denke nicht, dass in absehbarer Zeit Ähnliches auf den Tisch kommt. Aber natürlich wäre man vorsichtiger. Ich habe aber Vertrauen in die Lizenzierungsbehörden.
Sähe die Liga ein Scheitern des FC Wil auch als eigene Niederlage?
Eine Relegation Wils wäre sehr schade, für die Challenge League und für die Region. Und ich traue dem FC Wil die Rettung zu. Ein Scheitern Wils würde die Liga aber nicht in den Grundfesten erschüttern.