Korruptionsskandal?
Hat der FC Barcelona Schiedsrichter bestochen? «El Clásico» verkommt plötzlich zur Nebensache

Im «Clásico» könnte am Sonntagabend bereits die Vorentscheidung in Sachen Meisterschaft fallen. Für einmal stehen jedoch nicht die Spieler vom FC Barcelona oder von Real Madrid im Vordergrund.

Gabriel Vilares
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Wurde der FC Barcelona bei Schiedsrichterentscheidungen bevorzugt? Ein Richter soll diese Frage klären.

Wurde der FC Barcelona bei Schiedsrichterentscheidungen bevorzugt? Ein Richter soll diese Frage klären.

Bild: Luis Tejido/EPA

Finanzielle Schieflage, tränenreicher Messi-Abgang, blamable Auftritte auf internationalem Parkett. Der einst als Vorzeigeklub gefeierte FC Barcelona verlor in den vergangenen Jahren seinen Glanz, erntete zunehmend Spott und Hohn. Auch in dieser Spielzeit haben sich die Katalanen frühzeitig von der Champions League (CL) und der Europa League verabschiedet, doch immerhin läuft es in den heimischen Wettbewerben wieder richtig rund.

Neun Punkte beträgt der Vorsprung von Barça an der La-Liga-Tabellenspitze auf den Erzrivalen Real Madrid. Auch im Pokalwettbewerb sind nach dem 1:0-Erfolg im Halbfinal-Hinspiel gegen die Königlichen die Chancen auf den Finaleinzug intakt. Just als sich der traditionsreiche Verein der sportlichen Prosperität erfreut, zieht jedoch ein mutmasslicher Korruptionsskandal seine Kreise.

Hintergrund sind dubiose Zahlungen in Millionenhöhe an einen ehemaligen Schiedsrichter-Funktionär, die im Zuge einer Steuerprüfung bekannt wurden. Zwischen 2001 und 2018 soll der FC Barcelona mehr als 7,3 Millionen Euro an das Unternehmen des ehemaligen Vizepräsidenten des Schiedsrichter-Ausschusses (CTA), José María Enríquez Negreira, überwiesen haben. Unbestritten ist, dass zwischen den beiden Parteien Gelder flossen. Joan Laporta, Präsident des fünffachen CL-Siegers, bestreitet hingegen jegliche Korruptionsvorwürfe, beteuert die Unschuld, wittert gar eine Verschwörung. Der Verein habe von Negreira Beraterdienste in Anspruch genommen, bezeichnete den Vorgang «bei grossen Klubs als sehr normal».

Das Konterfei von Barça-Präsident Joan Laporta auf einem 500-Euro-Geldschein. Real-Fans haben die falschen Noten im Halbfinal-Hinspiel des Pokalwettbewerbs im Stadion verteilt.

Das Konterfei von Barça-Präsident Joan Laporta auf einem 500-Euro-Geldschein. Real-Fans haben die falschen Noten im Halbfinal-Hinspiel des Pokalwettbewerbs im Stadion verteilt.

Bild: Manu Fernandez/AP

Anklage gegen mehrere Akteure

Die spanische Justiz kommt zu einem anderen Schluss. Der FC Barcelona, ehemalige Vereinsfunktionäre sowie die Ex-Klubpräsidenten Josep Maria Bartomeu und Sandro Rosell werden von der Staatsanwaltschaft wegen «Korruption», «Untreue» und «gefälschter Unterlagen» angeklagt. Die Ermittler seien der Überzeugung, dass die Zahlungen dem Zweck der Begünstigung bei Schiedsrichterentscheidungen gedient haben sollen.

Gemäss dem heute 77-jährigen ehemaligen Unparteiischen Negreira habe seine Firma den Klub lediglich mündlich darüber beraten, wie sich die Spieler gegenüber bestimmten Schiedsrichtern verhalten sollen. Eine Bevorzugung habe keinesfalls bestanden. Das fürstliche Honorar von knapp einer halben Million pro Jahr für angebliche Verhaltenstipps wirft aber viele Fragen auf.

Besorgt zeigte sich auch Ligaverbandspräsident Javier Tebas. Er fürchtet um den Ruf des spanischen Fussballs: «Ich schäme mich. Wir haben vom FC Barcelona noch keine Erklärung erhalten», so der 60-Jährige. Er erlebe derzeit die schwärzesten Stunden seit seiner Amtszeit.

Plötzlich entscheidet der Richter

Da die möglichen Delikte gemäss dem spanischen Sportrecht nach drei Jahren verjähren, dürfte der FC Barcelona um sportrechtliche Konsequenzen kommen, erklärte Tebas. Sollte jedoch nachgewiesen werden können, dass beispielsweise Gelder direkt an Schiedsrichter geflossen sind, käme das Strafrecht zum Zug. Dann wäre gar eine Vereinsauflösung möglich. Ein Richter wird nun prüfen, ob es zu einer Gerichtsverhandlung kommt. Das dürfte zur Formsache werden.

Real Madrid (in Weiss) braucht gegen den FC Barcelona dringend einen Sieg, um den Anschluss auf die Katalanen zu bewahren.

Real Madrid (in Weiss) braucht gegen den FC Barcelona dringend einen Sieg, um den Anschluss auf die Katalanen zu bewahren.

Bild: Keystone

Zur Formsache könnte an diesem Wochenende auch der 27. Meisterschaftstitel – der erste seit 2019 – der Katalanen avancieren. Am Sonntagabend steht im heimischen Camp Nou «El Clásico» auf dem Programm, das Duell gegen den Erzrivalen aus der Hauptstadt. Bei einem Vollerfolg würde Barça auf 12 Punkte enteilen – wohl vorentscheidend. Entscheidend werden dürfte in naher Zukunft plötzlich auch ein Richter.