Der FC St. Gallen empfängt heute ab 20 Uhr den FC Luzern. Nach dem Sieg in Sitten stellt sich die Mannschaft von Trainer Joe Zinnbauer quasi von allein auf. Das birgt auch Gefahren.
Christian Brägger
Yannis Tafer – «top». Martin Angha – «top». Die beiden Spieler, denen St. Gallens Trainer Joe Zinnbauer in Sitten erstmals in der Rückrunde die Chance gab, sich von Anfang an zu beweisen, haben diese genutzt. Ansonsten wären seine Voten an der gestrigen Pressekonferenz anders ausgefallen. Und damit wohl auch das Resultat, das 2:1 im Constantin-Herrschaftsgebiet, das kaum einer erwartet hatte. Für jene Leistung galt es den Hut zu ziehen. Bis gestern.
Denn heute folgt mit Luzern der Tabellenvierte, der ein Gradmesser dafür ist, wie weit gereift die Ostschweizer als Mannschaft tatsächlich sind. Noch vor dem Lugano-Heimspiel wähnte man sich bereits auf der guten, selbstsicheren Seite – und driftete wohl etwas in Selbstüberschätzung ab. Das Resultat jenes Spiels ist bekannt. Deshalb sagt Zinnbauer, dass mit einer Einstellung wie gegen die Tessiner auch in der Partie gegen Luzern nichts zu holen sein wird. Dabei wollen sie gerade das, etwas holen, zu Hause im Kybunpark, selbst wenn der Deutsche sein Team in diesem Ligaspiel nicht unter Zugzwang sieht. «Wir können die Partie ruhiger angehen, der Druck lastet eher auf dem Gegner. Markus Babbel wird unbedingt gewinnen wollen, weil es sonst knapp wird für den dritten Platz, den Luzern anpeilt.» Zinnbauer sagt dies, weil die Zentralschweizer zuletzt nicht mehr so überzeugten wie bisweilen in der Vorrunde; neben dem Einzug in den Cup-Halbfinal haben sie in der Rückrunde erst einmal gewonnen. «Also müssen sie sich etwas einfallen lassen, nicht wir», ergänzt Zinnbauer.
Für das Abendspiel sind bisher 10300 Tickets verkauft, und falls nichts mehr passiert, wird die Startformation dieselbe wie in Sitten sein. Ungewiss ist da schon eher die Belegung der Ersatzbank. Dort ist ein kleines Gerangel entstanden, wie beim Gegner ist aktuell kein Spieler verletzt oder gesperrt, was es schwierig macht, es überhaupt ins Aufgebot zu schaffen. Davon betroffen könnten verdiente Spieler wie Danijel Aleksic, Roman Buess, Sejad Salihovic, Mario Mutsch oder Gianluca Gaudino sein. Entsprechend gilt es, die Reservisten und jene Profis, die nicht nur heute auf der Tribüne Platz nehmen müssen, bei Laune zu halten. Kein einfaches Unterfangen, zumal Akteure des zweiten Glieds eher Unruhe bringen könnten. Zinnbauer sagt: «Auch mir tut es weh für die Spieler, die es nicht aufs Matchblatt schaffen. Das ist bitter für sie. Doch bei mir ist die Türe immer offen, es kann schnell gehen, das haben wir ja gerade bei Tafer gesehen.»
Zinnbauer sagt, der Mannschaftrat – er bestehet aus Captain Toko, Daniel Lopar, Tranquillo Barnetta, Karim Haggui und Salihovic – sei ebenfalls gefordert, damit keine Unruhe entstehe. Dabei lobt der Trainer den guten Charakter der Mannschaft, da habe es in St. Gallen auch schon andere Zeiten gegebenen. «Wir haben eine tolle Stimmung. Es geht bei unserem Projekt ums Ganze, da muss sich der eine oder andere zurücknehmen. Wir brauchen alle.» Entsprechend fänden auch viele Gespräche statt. Im Projekt, von dem Zinnbauer redet und das er infolge der positiven Entwicklung auf gutem Weg sieht, geht es ihm noch immer darum, die magische Grenze von 35 Punkten zu erreichen – danach werde er die Ziele neu justieren. «Und erst dann. Doch wir fühlen uns auf dem fünften Platz gerade sehr wohl.»
Gespräche finden ebenfalls auf Nebenschauplätzen statt, mit Akteuren wie Andreas Wittwer oder Albian Ajeti, deren Kontrakte auslaufen. Oder mit dem Assistenztrainer Daniel Tarone, auch er ein Kandidat für eine Vertragsverlängerung. Zinnbauer sagt: «Ich verstehe mich gut mit ihm, er hat sich gut entwickelt. Aber ich muss unserem Sportchef Christian Stübi nicht dreinreden, er weiss schon, was er zu tun hat.» Und heute wird St. Gallen wissen müssen, was es gegen Luzern zu tun hat. Jedenfalls sagt Zinnbauer, der in der Spielweise pragmatischer geworden ist: «Wir haben unseren Plan.»