«Ich muss viel, viel schneller sein als je zuvor»

Mit 27 Jahren ist Flavia Rigamonti in Peking die älteste Spitzenschwimmerin auf den langen Crawlstrecken. Ihre dritten Olympischen Spiele stellen für die Tessinerin, die im Mai das Master-Studium in Accounting abschloss, auch den Abschied vom internationalen Wettkampfsport dar.

Valentin Oetterli/ si, Peking
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Flavia Rigamonti: Nach Peking ist Schluss. (Bild: Keystone)

Flavia Rigamonti: Nach Peking ist Schluss. (Bild: Keystone)

Mit Olympia hat Flavia Rigamonti noch eine Rechnung offen. 17 Medaillen hat sie an internationalen Wettkämpfen (inklusive Junioren- und Kurzbahn-EM) gewonnen, olympisches Edelmetall allerdings fehlt in ihrem Palmarès. 1996 holte sie zwar national ihren ersten Titel bei den Aktiven, doch für eine Teilnahme an den Spielen in Atlanta reichte es ihr noch nicht. Vier Jahre später in Sydney wurde die damals knapp 19-Jährige Vierte - 1,5 Sekunden fehlten zum Gewinn von Bronze. Es wäre erst die zweite Olympiamedaille eines Schweizer Schwimmers gewesen (nach Bronze von Etienne Dagon 1984 in Los Angeles über 200 m Brust). «Sportlich waren meine ersten Olympischen Spiele super, persönlich ging es mir in Sydney aber nicht so gut», blickt Rigamonti zurück. 2004 in Athen sei es genau umgekehrt gewesen. «Ich hatte eine tolle Zeit in Griechenland, doch im Pool liefs nicht wirklich.» Mit Rang 13 im Vorlauf verpasste sie den Final deutlich.

Zwölftschnellste des Jahres
Während über 400 m die Finalteilnahme gegen die teils fast zehn Jahre jüngeren Konkurrentinnen eine Überraschung wäre, stehen
Rigamontis Chancen über die doppelte Distanz besser. «Es gibt sicher zehn Girls, die die 800 m unter 8:25 schwimmen können»,
glaubt Rigamonti. Obwohl sie von Mädchen spricht, rechnet sich die 1500-m-Europameisterin dazu. Ihr Landesrekord - aufgestellt vor
genau einem Jahr an der Universiade in Bangkok - steht bei 8:25,59, gemeldet ist Rigamonti als Zwölftschnellste des Jahres mit ihrer EM-Zeit von 8:28,16.

8:20er-Grenze unterbieten
Wahrscheinlich ist allerdings, dass für eine Medaille die 8:20er-Grenze unterboten werden muss. Den 19-jährigen Rebecca Adlington (Gb/8:19,22) und Katie Hoff (USA/8:19,70) ist das heuer schon gelungen, die ein Jahr ältere Italienerin Alessia Filippi blieb nur knapp darüber (8:20,70). Zu beachten gilt es auch die gleichaltrige Amerikanerin Kate Ziegler, die auf dieser Strecke 2005 und 2007 WM-Gold holte. Nicht zu den Topfavoritinnen gehört hingegen die Japanerin Ai Shibata, die in Athen überraschend Olympiagold gewonnen hat.

Medaille nur bei Exploit
Damit ist klar: Rigamonti benötigt einen Exploit für den Gewinn einer Medaille - ähnlich wie vor anderthalb Jahren, als sie an den WM in Melbourne über 1500 m Europarekord schwamm. «Wenn ich vorne dabei sein will, muss ich viel, viel schneller schwimmen als je
zuvor», weiss die Tessinerin selber. Zumindest die gesammelten Hinweise aus dem abschliessenden Trainingslager in Singapur und der Vorbereitungsphase in Europa verleiten zu Zuversicht. Auch ein Testwettkampf vor drei Wochen in Slowenien, den sie zwischen ihren harten Trainingseinheiten bestritt, verlief für Rigamonti mit 8:33 über 800 m, 4:10 über die halbe Distanz (ihre zweitbeste je erreichte Zeit) und 2:03,5 über 200 m zur vollsten Zufriedenheit.

«Geht um Spass»
Über ihre Ambitionen in Peking verliert Rigamonti keine grossen Worte: «Meine Ziele behalte ich wie immer für mich. Viele sprechen mich auf meine Medaillenchancen an. Doch für mich geht es nicht um 'Go for Gold', sondern um Spass. Denn jedes Mal, wenn ich im Wasser Spass hatte, bin ich auch super geschwommen.» Sie habe alles dafür getan, dass nun sportlich und menschlich alles zusammenpasse, so die 38-fache Schweizer Meisterin.

Karrierenende nach 15 Jahren
Unabhängig vom Abschneiden in Peking schliesst sich für Flavia Rigamonti nach 15 Jahren das Kapitel Spitzensport. Bereits am 15. September beginnt für sie der nächste Lebensabschnitt. Dannzumal tritt Rigamonti in Dallas ihre Stelle beim international tätigen Beratungsunternehmen KPMG an. «Ich freue mich auf den nächsten Lebensabschnitt. Wenn ich noch schwimme, dann einfach nur aus Freude. Und da fallen Strecken wie 800 oder 1500 m sicher nicht darunter.»