Der Finalsieg von Michael van Gerwen war schriller Höhepunkt der Darts-WM in London. Der 27-jährige Niederländer gilt als künftiger Dominator eines Sports, dessen Bedeutung weiter steigt.
Thomas Weitekamp/SID
Am Ende dieser schrillen, grellen und bierseligen Darts-WM gab es tatsächlich noch einen rührenden Moment im brodelnden «Ally Pally». Die Bässe wummerten laut, als Michael van Gerwen den Siegerpokal entgegennahm, der Niederländer reckte ihn über seinen kantigen, kahlen Schädel, die Menge grölte – und diesem bulligen Star des einstigen Kneipensports standen die Tränen in den Augen. Mit bebender Stimme dankte «Mighty Mike», wie der neue Weltmeister genannt wird, seiner Frau und seiner Familie für «die grossartige Unterstützung, ich bin so glücklich», sagte er nach dem Sieg über Titelverteidiger Gary Anderson aus Schottland: «Das ist der wichtigste Pokal, das weiss jeder.»
Im Durchschnitt 1,48 Millionen TV-Zuschauer hatten das Spiel allein beim deutschen Sender Sport 1 verfolgt, das war ein Rekord. 440000 Franken erhielt van Gerwen für seinen Triumph – und wer immer noch nicht verstand, welche Bedeutung diese Darts-WM mittlerweile hat, der wurde wenig später belehrt.
Die Siegerpressekonferenz lief, als van Gerwen plötzlich ein Handy auf das Podium gereicht bekam, der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte war am Apparat. Der mächtigste Mann des Landes gratulierte am späten Montagabend dem besten Darts-Spieler der Welt. Das ist van Gerwen momentan ohne Zweifel. 2013 stand er bereits im WM-Final, 2014 und nun 2017 holte er den Titel. «Dreimal im Final», sagte van Gerwen, «da muss man schon eine gewisse Klasse haben. Alle haben gesagt, dass ich einen zweiten Titel brauche, um ein Grosser zu sein. Das habe ich nun geschafft.»
Mit dem Sieg im Alexandra Palace vergoldete der Weltranglistenerste sein herausragendes Jahr 2016, in dem er 25 Turniere gewonnen hatte. «Der Junge ist ganz gut», sagte der unterlegene Schotte Anderson mit Galgenhumor, «der wird mal ein Spitzenspieler.» Viele trauen van Gerwen zu, in die Fussstapfen des 56-jährigen Rekordweltmeisters Phil Taylor zu treten, den Sport sogar noch deutlicher zu beherrschen. Denn mit 27 Jahren steht van Gerwen noch am Anfang der Karriere. Taylor holte seinen ersten WM-Sieg im Alter von 29 Jahren. Auch in den kommenden Jahren, wenn es rund um Weihnachten und Neujahr wieder laut wird im «Ally Pally», dürfte der Niederländer als einer der Topfavoriten nach London reisen.
Und dazwischen verschwindet Darts keineswegs in den Kneipen. Im Februar startet die Premier League der zehn Besten. Auch die ist ein TV-Event, und auch dort geht es immerhin um eine Siegprämie von mehr als 200000 Franken.