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FC St.Gallen
Auch nach dem Direktduell zwischen St.Gallen und YB führt kein Team die Super League klar an. Die Espen und die Berner trennen sich nach einem umkämpften Spiel 3:3. Auch wenn der FC St.Gallen damit an der Tabellenspitze bleibt, fühlt sich das Unentschieden wegen eines umstrittenen Penaltyentscheids in der Nachspielzeit ein bisschen wie eine Niederlage an.
Viele der 19'024 Fans dürften bei der Präsentation der Startelf inzwischen nur auf eine Info warten: Spielt Fazliji? Denn immer, wenn der 20-Jährige bisher auf dem Platz stand, gewann der FCSG. Letzte Woche gegen Luzern sass Betim Fazliji auf der Bank – und die St.Galler verloren. Und beinahe hätten alle, die in Fazliji St.Gallens Glücksbringer sehen, in der vierten Spielminute die Bestätigung erhalten. Nach einem Eckball der Espen herrscht im Berner Strafraum Chaos. Cedric Itten kommt völlig frei zum Abschluss, hämmert den Ball aber an den Pfosten. Der Ball kullert an der Torlinie vorbei, bevor Jordan Lefort das Leder aus der Gefahrenzone bringen kann.
In der 10. Minute dann der Beweis: Fazliji ist nicht nur der Glücksbringer der Espen, sondern auch ihr erster Torschütze! Lukas Görtler verlängert mit dem Kopf einen Freistoss von Jérémy Guillemenot mit dem Kopf und Fazliji befördert den Ball zum 1:0 ins Tor.
Der ausverkaufte Kybunpark tobt. 19'000 Fans (mit Ausnahme der Berner) goutieren die starke Startphase ihrer Mannschaft mit einer Standing Ovation. Bereits in der 13. Minute kommt der FCSG durch Yannis Letard zu seiner nächsten guten Torchance, doch der Ball rollt knapp am rechten Pfosten vorbei.
Die St.Galler halten das Tempo hoch, sodass YB zunächst etwas überfordert scheint. Doch im Laufe der ersten Halbzeit kommen auch die Hauptstädter immer besser ins Spiel. In der 27. Minute fehlt nicht viel und die Berner hätten den Ausgleich erzielt. Doch der Schuss von Christian Fassnacht geht nur an den Pfosten.
In der 35. Minute wechselt Trainer Peter Zeidler Verteidiger Yannis Letard aus. Dieser war zuvor mit Jean-Pierre Nsame zusammengeprallt und erhielt die gelbe Karte. Für Letard kommt der 19-jährige Tim Staubli zu seinem dritten Teileinsatz. An der Pressekonferenz nach dem Spiel wird Zeidler erklären, dass Letard eine Gehirnerschütterung erlitten habe.
Obwohl YB jetzt mehr Druck macht, hält die Führung des FC St.Gallen – bis kurz vor der Pause. In der 44. Minute erzielt Nsame nach einem schönen Zuspiel von Nicolas Ngamaleu den Ausgleich. Drei Minuten später kommt es noch schlimmer: Ngamaleu erzielt den Führungstreffer zum 2:1 für die Berner.
Die Ernüchterung in St.Gallen ist gross:
Die St.Galler wirken zu Beginn der zweiten Halbzeit leicht verunsichert. Die erste vielverprechende Chance erarbeiteten sich die Espen in der 58. Minute. Zunächst versucht Jordi Quintillà einen Freistoss in die weite Ecke zu schlenzen, Goalie David von Ballmoos ist aber zur Stelle. Gleich darauf versucht Ermedin Demirovic sein Glück, doch sein Schuss geht am Tor vorbei.
Die zweite Halbzeit ist geprägt von Fouls auf beiden Seiten, St.Gallen und YB schenken sich nichts. Beide Teams kommen immer wieder zu hochkarätigen Chancen, es fallen aber keine weiteren Tore. Erst in der 76. Minute bricht das ganze Stadion in Jubel aus: Nach einer Flanke von Lukas Görtler steigt Demirovic hoch, sein Kopfball landet via YB-Verteidiger Jordan Lefort im Tor. 2:2.
Damit wollen sich die Ostschweizer aber nicht zufrieden geben – weder die Fans noch die Mannschaft auf dem Platz. Das Publikum steht, die Espen werfen alles nach vorne. Und es scheint zu wirken: Lukas Görtler erzielt das 3:2 für den FC St.Gallen. Ist es der Siegestreffer?
Die Nachspielzeit ist dann aber Dramatik pur: YB erhält wegen eines Hands von Miro Muheim und nach einer VAR-Konsultation einen Penalty zugesprochen. Zigi pariert, der Jubel ist grenzenlos – und kurz. Denn Schiedsrichter Alain Bieri lässt den Penalty wiederholen. Zigi habe sich zu früh von der Torlinie weg bewegt, entscheidet Bieri. Beim zweiten Anlauf trifft Guillaume Hoarau. 3:3 Endstand.
Für die St.Galler ist dieser späte Ausgleich aufgrund einer umstrittenen Schiedsrichter-Entscheidung besonders bitter. Da fällt es schwer, dem Unentschieden, das sich eher wie eine Niederlage anfühlt, etwas Positives abzugewinnen. Wir versuchen es trotzdem:
Lukas Görtler. Der Deutsche peitscht nicht nur das Publikum, sondern auch seine Teamkollegen an. Unglaublich, was für ein Pensum er abspult. Die Belohnung: Zwei Assists und ein Treffer.
Nach einer ansprechenden Startphase taucht Cedric Itten ab. In der 76. Minute aber hätte er sich aber noch zum Matchwinner krönen können, doch der Basler verpasst eine Hereingabe knapp.
Zum ersten Mal in der bald zwölfjährigen Geschichte war das St.Galler Stadion bereits vier Tage vor einem Spiel ausverkauft. Zuletzt war der Kybunpark, der damals noch AFG Arena hiess, am 7. April 2013 gegen den FC Basel bis auf den letzten Platz besetzt – also vor fast sieben Jahren. Dazwischen war das Stadion zwar noch zwei weitere Male ausverkauft, allerdings wurden die Tickets im Rahmen des 140-Jahr-Jubliäums des FC St.Gallen damals vergünstigt angeboten.
Nicht nur auf dem Platz lieferten sich die Berner und die St.Galler ein Duell auf hohem Niveau – auch neben dem Platz: Beide Fanblöcke liessen sich für den Spitzenkampf nicht lumpen. Vor allem die FCSG-Anhänger hatten sich eine Choreografie der Extraklasse ausgedacht. Auf den Transparenten rund um eine gigantische Batman-Figur steht:
«Always be yourself. Unless you can be the FCSG. Then always be the FCSG.»
Hier gibt's die FCSG-Choreo in voller Länge im Video:
Video: Daniel Walt
Dass der FCSG am letzten Sonntag die erste Niederlage der Rückrunde kassiert hatte, verkam anfangs Woche zur Nebensache. Denn am Dienstag wurde bekannt, dass sich Stürmer und Leistungsträger Boris Babic im Spiel gegen Luzern einen Kreuzbandriss zugezogen hat und für ein halbes Jahr ausfällt. Heute wird der 22-Jährige operiert. Und man fragte sich: Wie wird der FCSG auf den Ausfall von Babic reagieren? Die Antwort lieferte die Mannschaft bereits vor dem Spiel: Aus Solidarität zu ihrem abwesenden Teamkollegen trugen alle FCSG-Spieler beim Aufwärmen ein schwarzes Shirt mit der Nummer 34 – Babic' Nummer – und der Aufschrift «Chicos Locos». Übersetzt: verrückte Jungs.
Gestern vor 16 Jahren jährte sich ein Ereignis, das wohl kein FCSG-Fan vergessen wird. (Nein, nicht die 3:11-Niederlage in Wil.) Am 22. Februar 2004 war ebenfalls YB zu Gast in der Ostschweiz, damals noch im Espenmoos. Die St.Galler zogen einen grottenschlechten Tag ein und unterlagen den Bernern mit 1:3. Ein Espe überragte jedoch alle: Verteidiger Marc Zellweger. Nach der roten Karte gegen Torhüter Stefano Razzetti in der 75. Minute streifte sich «Zelli» das Goalieleibchen über, stellte sich zwischen die Pfosten – und hielt den Penalty von Gürkan Sermeter. Nach dem Spiel sagte Verteidiger-Goalie Marc Zellweger: «Ich kann nur in den rechten Ecken springen, also sprang ich in den rechten.»
Stürmer Cedric Itten: «Es war sehr bitter für uns, dass der Schiedsrichter den Penalty wiederholen liess. Damit hatte ich nicht gerechnet. Wir hätten den Sieg verdient gehabt. Wir bewiesen eine grossartige Moral vor einer grossartigen Kulisse. Jeder ging für jeden.»
Captain Silvan Hefti: «Solch ein Wechselbad der Gefühle habe ich in meiner Karriere noch nie erlebt. Unser Plan ging bis kurz vor der Pause gut auf. Dann aber war YB einfach YB. Wir zeigten aber viel Moral und kämpften uns zurück.»