Startseite
Sport
FC St.Gallen
Der Honigtopf war so nahe: Nur ein Tor fehlt dem FC St.Gallen zum grossen Coup, der Qualifikation für die Europa League. Beim 1:1 gegen Zürich suchen die Ostschweizer das Siegtor zu spät mit aller Kraft.
«NEF» stand vor dem Spiel in grossen Lettern im Zürcher Fansektor, grosse Buchstabentücher wurden aufgezogen – eine Hommage an Alain Nef, der am Samstag sein letztes Spiel absolvierte.
90 Minuten später hätte dieselbe Botschaft auch anders, nämlich im militärischen Sinn, gelesen werden könne. «NEF!» gleich: Nicht erfüllt! Nach 95 Minuten lagen sowohl die Zürcher als auch die St.Galler geknickt am Boden, beide hatten es verpasst, europäische Plätze zu erreichen.
Zürich konnte sich damit trösten, dass auch ein Sieg nicht gereicht hätte. Die Pille, die die St.Galler zu schlucken hatten, war aber extrem bitter. Mit einem Sieg wären sie auf dem dritten Platz und in der Europa-League-Gruppenphase gelandet, drei Millionen Franken Startgeld inklusive. Unerwartet hatte Lugano gegen die Grasshoppers 3:3 gespielt – und den St.Gallern den Check samt möglichen Gegnern wie Manchester United oder Arsenal auf dem Silbertablett serviert. Nun aber gibt’s den sechsten Platz – und überhaupt keine europäischen Spiele im Kybunpark. St.Gallens Trainer Peter Zeidler sagte:
«Unfassbar schön wäre das gewesen.»
«Unendlich enttäuscht» sei er darüber, dass Zentimeter über diesen Misserfolg entschieden. Man hätte sich den Moment aus St.Galler Sicht schön ausgemalt: Hätte Majeed Ashimeru bei seinem Abschiedsspiel die riesige Chance in der 87. Minute genutzt, wären die Dämme gebrochen.
Aber es kam anders. Dass es nicht zum Sieg reichte gegen formschwache Zürcher, ist aber nicht dem Ghanaer anzulasten, der danach in der Kabine völlig aufgelöst gewesen sei vor Enttäuschung. Sondern eher der schwerfälligen, fahrigen Spielweise nach der Pause, als die St.Galler das 1:1 verdauen mussten und gleichzeitig erfuhren, dass die Grasshoppers im Tessin den Weg zum Grosserfolg weiter ebneten.
In dieser Phase schien das Team gelähmt. Zumindest wirkte es nicht in Eile, den Sieg unbedingt erreichen zu wollen. Dies änderte sich erst in den letzten zehn Minuten – zu spät bei einer solch kapitalen Ausgangslage. Die Zürcher zeigten nach den zuletzt dürftigen Leistungen zwar keinen schlechten Auftritt. Aber eben auch keinen unwiderstehlichen. Den Apfel habe man schon in der Hand gehabt, da sei etwas dazwischengekommen. Mit diesem Bild drückte es Zeidler aus. War das Zittern vor dem Erfolg dazwischengekommen? Fehlte am Ende der jungen Mannschaft die Reife?
Dabei zeigten die St.Galler vor allem in der ersten Halbzeit sehr gute Ansätze. Das Team wirkte, wie bereits am Mittwoch gegen die Young Boys, eingespielter als noch zu Beginn der Rückrunde. Das Spiel der St.Galler begann just zum Saisonende, eine unaufgeregtere, dafür präzise und durchdachte Note zu bekommen. Einmal mehr war zu sehen, was dem FC St.Gallen unter Zeidler besonders gut liegt: Wenn der Gegner mitspielt, wenn sich die Ostschweizer auf die Nadelstiche verlegen können. Ertrag brachte diese Spielweise schon in der
16. Minute, als Jérémy Guillemenot – bei seinem bisher selbstbewusstesten und besten Auftritt in Grün-Weiss ein schöner Schlenzer zum 1:0 gelang.
Bewusst sind sich die St.Galler eines: Den dritten Platz hat man nicht nur am Samstag verspielt, sondern in Spielen gegen Lugano oder Luzern. Bewusst müssen sich die St.Galler ebenfalls sein: Fehlen wird künftig Barnetta, der auch gegen Zürich wieder einer der besten St.Galler war. Nach seiner Party vom Mittwoch trat er diesmal tief enttäuscht ein letztes Mal als Aktiver vor die Mikrofone. Gerne hätte er im Herbst seinen Kollegen bei europäischen Spielen zugeschaut. Doch Fussball ist kein Wunschkonzert.