Eine erstmals erhobene Detailanalyse der Super-League-Saison weist St.Gallen als starkes Pressingteam aus. Sie deckt aber auch Mängel im Abschluss auf. Und zeigt: Je mehr Ballbesitz die St.Galler haben, desto weniger wahrscheinlich ist ein Sieg. Vincent Sierro ist der einflussreichste St.Galler, Tranquillo Barnetta und Cedric Itten sind die effizientesten.
Das Mass "Erwartbare Tore" zeigt, wie viele Tore ein Spieler aus seinen Chancen hätte erzielen müssen. Für diese Datenerhebung verglich die Analytikfirma Opta 300 000 Torchancen in verschiedenen Ligen auf ihre Qualität (Distanz zum Tor, Winkel und Zuspiel)..
Hinweis zu den Grafiken: Aufgeführt sind alle Feldspieler, die mindestens tausend Spielminuten absolviert haben. Plus Stammspieler Itten, der sich in der siebten Runde verletzte.
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Die Saison ist vorbei. Was bleibt im Rückblick? Eine knapp verpasste Europa-League-Qualifikation. Und eine inkonstante, aber kurzweilige Saison. Die von der Vereinsführung geforderte Offensivstrategie wurde unter Peter Zeidler umgesetzt. Was sich in offenen Partien, und vor allem zu Beginn der Saison in hohem St.Galler Pressing äusserte. Die Torausbeute aber war nicht besser als im vergangenen Jahr, als Giorgio Contini oft ein zu defensiver Fussball vorgeworfen wurde. 49:58 lautet die Tordifferenz dieser Saison, 2017/18 kam man auf 52:72.
Es gibt aber Datenerhebungen, die das Pressingspiel der St. Galler deutlich unterstreichen. Die Analytikfirma Opta hat in dieser Saison erstmals alle Partien der Super League im Detail erfasst, was Ballaktionen, Zweikämpfe, Abschlüsse und vieles mehr betrifft. Vieles deckt sich mit Beobachtungen, vieles ist Spielerei – Überraschendes tritt dennoch zu Tage.
Hinter den Young Boys ist der FC St. Gallen tatsächlich jenes Team, dass den Gegner am frühesten angreift, also «hoch presst». Die Ostschweizer ergatterten vergangene Saison in 36 Spielen 164 Mal den Ball im gegnerischen Drittel. Zudem liessen sie lediglich 110 gegnerische Passequenzen zu, die über zehn oder mehr Stationen führten. Auffallend ist dabei: Zur Winterpause stand das Team von Peter Zeidler bezüglich Pressingverhalten noch auf dem ersten Platz, im Winter schien ein gewisses Umdenken stattzufinden.
Für Zeidler decken sich diese Zahlen mit seinen Ideen. Der «Plan B», das Pressing erst auf Höhe der Mittelline anzusetzen, habe zuletzt gegriffen.
Was aus St. Galler Sicht zu denken geben muss: Nur 33 Abschlüsse resultierten aus den 164 hohen Balleroberungen. Mit diesem Verhältnis liegen die Ostschweizer auf dem zweitletzten Platz der Liga, lediglich vor Zürich. Nur eine einzige der vielen hohen Balleroberungen führte auch zu einem Treffer. Eine andere Zahl deutet auf Schwächen im eigenen Spielaufbau hin: Sequenzen mit zehn oder mehr Pässen gab es bei St. Gallen nur 98 Mal, hier liegt man nur vor Luzern (59), das auf ballbesitzlosen Fussball setzt. An der Spitze liegt Basel mit 322 Sequenzen.
Auch die Passgenauigkeit, und das unterstreicht St. Gallens Probleme beim Spielaufbau, ist bei den Ostschweizern unterdurchschnittlich. Beim FC Basel kamen in den 36 Spielen 81,4 Prozent aller Pässe an, bei St. Gallen nur 72,8. Es ist nebst Luzern (67.4) die schwächste Quote. Ein Wert, den man verbessern wolle, so Zeidler. Er spricht von zu vielen «unerzwungenen Fehlern», die seinem Team unterliefen.
Wo sich die angriffige Haltung des FC St. Gallen ebenso zeigt, ist die Zweikampfstatistik. 120 Zweikämpfe pro Spiel absolvierten die Ostschweizer – mehr als Luzern (117) und YB (114) auf den weiteren Plätzen. Auch das entspricht einer Logik: St. Gallen sucht den Druck auf den Ball mehr als andere – was automatisch mehr Eins-zu-Eins-Situationen ergibt. Das Problem: In Sachen Zweikampfquoten liegen die St. Galler am Tabellenende. Sie gewannen 49,3 Prozent ihrer Zweikämpfe. YB an der Spitze kommt auf 52 Prozent, Lugano als Zweiter auf 50,6 Prozent. Minime Unterschiede, die Zeidler als irrelevant erachtet.
Wenn der FC St.Gallen hingegen das Spiel machen muss (wir denken spontan an Gegner Luzern), tut er sich besonders schwer. Dies zeigt eine andere Statistik eindrücklich. Jene sechs Spiele, in denen St.Gallen am meisten Ballbesitz hatte (dreimal gegen Luzern, zweimal gegen Lugano und einmal gegen GC), verloren die Ostschweizer allesamt. In den sechs Spielen, in denen St. Gallen dem Gegner am meisten Ballbesitz überliess (dreimal gegen den FC Zürich, je einmal gegen GC, YB und Basel), gewann es hingegen dreimal, spielte zweimal Unentschieden – und verlor einmal erst in letzter Minute in Bern 2:3. Auch hier lässt sich aber feststellen: Der FC St.Gallen ist in der Rückrunde pragmatischer aufgetreten und liess sich seltener mit viel Ballbesitz ins Verderben stossen.
Die von der in München beheimateten Firma Opta erhobenen Daten zeigen aber auch auf, welche Werte einzelne Spieler vorzuweisen haben. So wurde jede Ballaktion erfasst. Naturgemäss sind es die Mittelfeldspieler, die hier die Nase vorne haben. In absoluten Zahlen führt Vincent Sierro diese Statistik an, mit 2386 Aktionen. Im Vergleich zu Mitspielern wie Majeed Ashimeru (2027) und Jordi Quintillà (1988) ein hoher Wert. Wer die Ballaktionen pro 90 Spielminuten betrachtet, erhält jedoch einen anderen «Sieger»: Nicolas Lüchinger, der nicht immer in der Stammformation stand, liegt hier vorne.
Hingegen steht Lüchinger am Ende einer anderen Tabelle. Geht es um den Drang in den gegnerischen Strafraum, liegt er – abgesehen von den Torhütern – zuhinterst. Nur 0,4 Prozent seiner Aktionen zeigte er in der gefährlichen Zone. Diesbezüglich sind Silvan Hefti (1,7), Andreas Wittwer und Milan Vilotic (je 0,9) gefährlicher.
Dass Sierro über die gesamte Saison gesehen der einflussreichste St. Galler war, zeigt auch seine Spitzenposition bei der Anzahl seiner Pässe (1689) und Zweikämpfen (548, gegenüber dem Zweitplatzierten Majeed Ashimeru mit 354). Zudem punktet er bei den Toren. Der beste Torschütze der St. Galler traf zwar viermal per Penalty und vergab in Thun einen solchen, hat aber dennoch öfters getroffen, als aufgrund seiner Chancen zu erwarten war. Noch weit effizienter waren in Sachen "erwartbarer Tore" hier jedoch Cedric Itten und Tranquillo Barnetta (siehe Spielergrafiken).
Der genauste Passgeber war Majeed Ashimeru, 82,1 Prozent seiner Zuspiele kamen an. 80,9 sind es bei Jordi Quintillà. Was die Quote an gewonnenen Zweikämpfen angeht, liegen erwartungsgemäss Verteidiger vorne. Herausragend sind die Werte von Vilotic (63 Prozent) und Hefti (61). Die beiden gehören damit zu den Top Ten der Liga. Für einen Stürmer stark ist die Quote von Rapp (55), solid jene von Kutesa (46), während Barnetta mit 38 Prozent und Itten (32) nicht zu den Besten gehören. Der Beweis, dass Zahlen nicht alles erklären.
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Das Mass "Erwartbare Tore" zeigt, wie viele Tore ein Spieler aus seinen Chancen hätte erzielen müssen. Für diese Datenerhebung verglich die Analytikfirma Opta 300 000 Torchancen in verschiedenen Ligen auf ihre Qualität (Distanz zum Tor, Winkel und Zuspiel). Eine «Hundertprozentige Chance» erhält den Wert 1. Wenn die Erfolgschance eines Abschlusses
5 Prozent beträgt, erhält sie den Wert 0,05. Der "Millionen-Fehlschuss" von Majeed Ashimeru vom vergangenen Samstag erhielt einen (wohl eher höher erwarteten) Wert von 0,33 zugeordnet. Jedes dritte Mal wird eine solchen Chance also verwertet. Ein Penalty hat den Wert 0,78. «Erwartbare Tore» werden in der Medienberichterstattung, besonders in England, immer öfter als wichtiger Wert für die Dominanz und Effizienz von Teams und Spielern verwendet.
Allgemein ist der FCSG in der Super League allerdings das zweitschwächste Team, was die Passquote anbelangt: