Startseite
Sport
FC St.Gallen
Ludovic Magnin ist seit Februar Trainer des FC Zürich. Der 39-Jährige ist in dieser Funktion wie früher als Spieler: emotional, ehrgeizig, draufgängerisch. Am Sonntag ab 16 Uhr gastiert Zürich in St. Gallen.
Er ballt die Faust, er schreit die Freude hinaus, er umarmt jeden seiner Mitarbeiter, der ihm gerade über den Weg läuft. Ein paar Minuten später tanzt Ludovic Magnin nicht mehr, sondern analysiert dieses 3:2 des FC Zürich in der Europa League gegen Bayer Leverkusen, und er tut das durchwegs sachlich. Aber zum Vorschein kommt doch eine tiefe Genugtuung des Trainers:
«Ich bin sehr stolz auf diese Mannschaft,
ich ziehe den Hut vor ihr.»
Drei Partien auf europäischer Bühne, in der Super League zuletzt am
1. September verloren – es war ein 0:1 in Lugano –, im Cup im Achtelfinal: Der Fahrplan stimmt. Und das hat einen direkten Zusammenhang mit eben diesem Magnin, dem Trainer.
Er kann aufbrausend sein, emotional, draufgängerisch, wild, ein Trainer, der sich nicht verstellen möchte, nur weil jetzt Scheinwerfer auf ihn gerichtet sind. Der aber gelernt hat, zwischendurch doch diplomatischere Töne anzuschlagen als noch in der Vergangenheit. Magnin ist 39-jährig, bis im Februar hat er beim FC Zürich die U21 gecoacht. Als Uli Forte damals gehen musste, zögerte er nicht: Natürlich hatte er Lust auf einen Aufstieg. Und natürlich traute er es sich zu, die Chance zu packen. So viel Selbstvertrauen besitzt er.
Magnin registrierte damals vereinzelt Skepsis, es gab Fragen wie: Ist er wirklich bereit, um mit Profis zu arbeiten? Kommt er mit seiner Art an? Seit Ende Februar ist er nun im Amt, er hat 32 Wettbewerbsspiele in Meisterschaft, Cup und Europa League hinter sich. Einen ganz entscheidenden Sieg landete er im Mai, als er mit dem FC Zürich in Bern gegen Meister Young Boys den Cupfinal gewann. Dem Club trug der Triumph einen Pokal ein, dem Trainer Anerkennung, die er bis dahin nicht gekannt hatte. Er spürte: Jetzt war er angekommen, jetzt hatte er etwas erreicht, das kritische Stimmen verstummen liess.
Der Romand, ausgebildeter Primarlehrer und 62-facher Schweizer Nationalspieler, ist jemand, der liebend gern lernt und in seinem Beruf alles aufsaugt, was er an Informationen bekommen kann. Der sich inspirieren lässt, zum Beispiel von Lucien Favre. Mit dem Dortmund-Trainer telefoniert er oft, und dann vertiefen sie sich in Fachgespräche. Und Magnin hat in den ersten Monaten auch herausgefunden, dass es sinnvoll ist, die Kräfte einzuteilen, um nicht Gefahr zu laufen, rasch ausgebrannt zu sein. Es sei wichtig, sich Zeit auch für andere Dinge zu nehmen und statt zwölf nur acht Stunden pro Tag zu arbeiten, «dafür aber mit vollem Engagement».
Magnin ist nicht nur extrovertiert, sondern auch fordernder Ausbildner, wobei Spässchen auch ihren Platz haben sollen. Gleichzeitig ist er kein misstrauischer Kontrollfreak, keiner, der Regeln aufstellt für seine Spieler. Er sagt: «Ich muss das Gespür entwickeln, was es braucht, um optimale Leistung abzurufen.» Für ihn hat das mit «Menschenkenntnis» zu tun. Die Kompromissbereitschaft endet aber bei der Arbeit auf dem Trainingsplatz.
Der Trainer Magnin unterscheidet sich nicht vom Spieler Magnin, ihn zeichnet heute wie damals seine Unerschrockenheit aus. Respekt soll sein, das schon, aber zu viel Ehrfurcht dann auch wieder nicht. Verständnis hat er keines dafür, wenn etwa vor einer internationalen Begegnung im Team darüber diskutiert wird, wer mit wem das Trikot tauscht. Sobald das der Fall ist, schreitet er ein – gegen zu schnelle Zufriedenheit kämpft er vehement an.
Von immensem Ehrgeiz war Magnin schon immer getrieben. «Das verhalf mir zur Laufbahn, die ich gemacht habe», sagt er. In der Bundesliga wurde der frühere Linksverteidiger deutscher Meister mit Werder Bremen und dem VfB Stuttgart. Er wünscht sich «schönen Fussball», nicht solchen, der von Kampf und pausenlosen Zweikämpfen geprägt ist. Lange ist der FC Zürich in der Super League aber nicht primär mit spektakulärem, sondern mit sachlichem Stil aufgefallen. Die Ausnahme war das jüngste 3:3 gegen YB, das eine geballte Ladung an Unterhaltung bot. Ansonsten überzeugten die Zürcher mit solider Defensive. Der beste Beleg dafür ist das Torverhältnis: 13 Treffer erzielt, 13 erhalten. Zwei der bisher elf Partien endeten 0:0 im Letzigrund – gegen Xamax. Und gegen St. Gallen.
Magnin erwartet, dass die Offensive an Durchschlagskraft zulegt. Die Anlaufschwierigkeiten erklärt er mit Wechseln in dieser Abteilung nach der Sommerpause. «Ein Neuaufbau braucht Zeit», sagt er, «das ist ein Problem, das viele Mannschaften kennen.» Allerdings kennt Magnin keine Zweifel. Er glaubt an das Potenzial seines Kaders.
Das 3:3 gegen YB war ein kräftiges Signal – fünf Tage später folgte das 3:2 gegen Leverkusen, eine Vorstellung, bei der die Zürcher ganz viele Facetten zeigten. Zäh waren sie, spielfreudig, fähig, Rückschläge wegzustecken, sie kamen dem, was sich Magnin vorstellt, ziemlich nahe. Aber lange hielt er sich an diesem Erfolg nicht auf, konnte er nicht. Weil er den Sonntag vorbereiten musste, den Auftritt in St. Gallen. Da geht es wieder um Punkte in der Meisterschaft und ein kleines statistisches Jubiläum: Der FC Zürich steht derzeit bei neun Pflichtspielen in Folge ohne Niederlage.