Kolumne
Gegentribüne: Der FC Vaduz ist nun St.Gallens Lieblingsgegner

Lange Zeit war der FC Vaduz der Angstgegner des FC St.Gallen. Nun hat sich das Blatt gewendet. Drei Siegen steht nur eine Niederlage gegenüber. Für diese Saison eine aussergewöhnliche Bilanz der Ostschweizer im Vergleich mit einem einzigen Gegner.

Fredi Kurth
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Kolumnist Fredi Kurth.

Kolumnist Fredi Kurth.

Bild: Tobias Garcia

Der FC Vaduz verdankte jeweils der Punkteausbeute gegen den Rivalen jenseits der Rheingrenze den Ligaerhalt. Diesmal könnte das Gegenteil eintreffen: Der FC St.Gallen schätzt die neun von zwölf möglichen Punkten in der Endabrechnung sehr. Doch gemach. Denn weiterhin ist alles offen. Das Abstiegsroulette dreht sich wild, und das «Rien ne va plus» lässt noch auf sich warten.

Haarsträubende Fehler lösen Gegentore aus

Wie sehr Kleinigkeiten entscheiden können, zeigten die beiden Partien des FC St.Gallen in der zurückliegenden Woche. Die beiden Treffer des FC Lugano zum 2:0-Sieg entsprangen haarsträubenden Abwehrfehlern. Ähnliches lässt sich für die Partie im Kybunpark feststellen. Nur war diesmal St.Gallen der Profiteur – wobei es das Missgeschick der Vaduzer durch einen raffiniert schnell ausgeführten Freistoss von Lukas Görtler provozierte.

Mitten in den Wogen: Schiedsrichter Nikolaj Hänni

Schiedsrichter Nikolaj Hänni pfiff beim Super-League-Spiel zwischen St.Gallen und Vaduz.

Schiedsrichter Nikolaj Hänni pfiff beim Super-League-Spiel zwischen St.Gallen und Vaduz.

Bild: Marc Schumacher/ freshfocus

Es war Kampffussball. Es war ein Hauen und Stechen. Und mittendrin Nikolaj Hänni, der Schiedsrichter, der Gamser. Mehr Neutralität geht nicht. Der St.Galler, so nahe an der Grenze zum Fürstentum. Eine unglaublich schwierige Aufgabe türmte sich vor ihm auf. Auch wenn ihn vor der Pause mal die Vaduzer, nach der Pause kurz die St.Galler aufs Korn nahmen – Hänni hat sie bravourös gelöst. Als er abpfiff, war er kein Thema mehr. Und ich denke, das ist auch eine Auszeichnung für seine ganze Karriere, die nach überstandener schwerer Krankheit nun zu Ende geht.

Es mag meine persönliche Wahrnehmung sein. Aber wenn immer wieder über Schiedsrichter gelästert wurde, war Nikolaj Hänni nie darunter. An viele Ostschweizer Refs auf höchster Ebene mag ich mich sonst nicht erinnern. Aber auch sie hatten dieselben Eigenschaften wie Hänni. Sie wollten Spiele leiten, nicht entscheiden, hatten das oft zitierte Fingerspitzengefühl: Josef Gulde, Walter Hungerbühler, Mario Osta, Arturo Martino und Karl Strässle kommen mir in den Sinn.

Sackgrob in gegenseitigem Einvernehmen

Kompromissloses Einsteigen von Miro Muheim gegen Pius Dorn.

Kompromissloses Einsteigen von Miro Muheim gegen Pius Dorn.

Bild: Michel Canonica

Zum Thema passend: Ich staune immer wieder, wie sich die Spieler schonungslos auf die Füsse treten. Was mit «da war ein Kontakt» harmlos umschrieben wird, stellt sich bei genauer Betrachtung oft als Angriff auf die Gesundheit des Gegenspielers heraus, als schmerzvoller Tritt, wahrscheinlich noch Stunden nach dem Match spürbar. Aber das beruht offensichtlich auf gegenseitigem Einvernehmen.

Meistens genügt ein Handshake, und die Sache ist bereinigt. Dennoch wünschte ich mir wieder mehr spielerische Elemente im Fussball als dieses pausenlose Hinterherrennen auf engem Raum, das Rasenviereck missbraucht als Trampelwiese. Im Abstiegskampf ein frommer Wunsch. Wenn umgekehrt der FC Vaduz mit bescheidenen Mitteln plötzlich am zweitmeisten Punkte einfährt, dann ist diese Leistung ebenfalls aussergewöhnlich und hierzulande inzwischen anerkannt worden. Die Reise der Liechtensteiner zum Ligaerhalt ist möglicherweise nur unterbrochen.

Die Sonderstellung des FC Vaduz

Die Vereine aus dem Fürstentum nehmen seit Jahrzehnten am Wettspielbetrieb des Ostschweizer Fussball-Verbandes teil. Der FC Vaduz war als stärkster Vertreter in der 1. Liga und 2. Liga lange Zeit willkommener Vergleichspartner. Richtig zur Kenntnis genommen wurde er in der Restschweiz erst 2008, als er in die Super League aufstieg und der Schweizer Fussball-Verband hierfür die Bewilligung erteilen musste. Danach wurde die Teilnahme des zugewandten Ortes argwöhnisch verfolgt.

Der FC Vaduz war für Vereine jenseits des Röstigrabens und des Gotthards ein ziemlich unattraktiver Gegner, so wie für den FC St.Gallen das Fussballteam von Mulhouse, Sochaux oder Como als Konkurrent auch nicht willkommen wäre. Kam dazu, dass das Gedränge um die wenigen Plätze in der zu kleinen Liga noch grösser wurde. Statt St. Gallen, Lausanne, Servette, Lugano oder der FC Zürich nahm nun plötzlich der Nobody aus dem Fürstentum den Platz an der Sonne ein.

Nico Hug (links) gegen Lukas Görtler.

Nico Hug (links) gegen Lukas Görtler.

Bild: Marc Schumacher/ freshfocus

Vaduz zahlt jährlich 1,35 Millionen Franken

Dass der FC Vaduz von einer Sonderbegünstigung profitiert, kann auf den ersten Blick nicht behauptet werden. Das aktuelle Zahlenmaterial ist spärlich und aufgrund von Corona nur bedingt aussagekräftig. Gemäss Informationen zur Saison 2020/21 wies die FC Vaduz-Lie AG und der FC Vaduz per Ende Jahr Einnahmen von 3,05 Millionen Franken aus. Nicht aufgeführt ist die Zulassungsgebühr von 1,35 Millionen Franken pro Saison an die Swiss Football League und der nicht genau fixierte Sockelbetrag, den umgekehrt der FC Vaduz erhält, jedenfalls weniger als die maximal 1,8 Millionen Franken für die andern Super League Teams.

Vorteil als Landesverband

Der FC Vaduz kann nicht Schweizer Meister werden, nimmt aber als Cupsieger Liechtensteins jedes Jahr an der Europa-League-Qualifikation teil. Und von daher hat diese Mannschaft sehr wohl einen Wettbewerbsvorteil. Ein Unikum bildet dabei der Landesverband. Er ist einerseits dem Ostschweizer Fussball-Verband untergeordnet wie ein Kantonalverband, andererseits aber direkt auch dem europäischen der Uefa. Er verzeichnet einen Betriebsertrag von rund 5 Millionen Franken und erhielt aus dieser Quelle unlängst einen Beitrag von 3,1 Millionen Franken als Unterstützung für den Bau des Nationalmannschaftszentrums Ruggell. Zumindest indirekt dürfte auch der FC Vaduz daraus Nutzen ziehen.